Faktencheck: Angeblicher Rehriss in Bad Belzig – Wie Medien wieder falsch berichten

 

 

Wolfsschutz-Deutschland Faktencheck:  Angeblicher Rehriss in Bad Belzig - Wie Medien wieder falsch berichten
Diese Fellreste fanden wir an einem anderen Ort, als dem Auffindeort

Dass Wölfe auch Rehe fressen, dürfte inzwischen bekannt sein, sie sind schließlich keine Vegetarier und werden es auch nie werden. Leider ist auch bekannt, dass jedes tote Reh erst einmal einem Wolfsriss zugeschrieben wird. Das macht sich gut, um den „bösen Wolf“ wieder in die Presse zu bringen. Am 7. März 2018 soll es mal wieder soweit gewesen sein, im beschaulichen Bad Belzig in Brandenburg. „Wolf hinterlässt blutige Spur in Bad Belzig“, titelte die „Märkische Allgemeine“, ohne dass es einen Beweis gegeben hat – und bisher auch nicht gibt -, dass es auch ein Wolf war. Wolfsschutz-Deutschland ging auf Spurensuche vor Ort.

Journalistin war (natürlich) nicht vor Ort

Erschreckend: Die Journalistin, die diesen Bericht erfasst hat, hinterfragte mal wieder nicht das, was  ein „besorgter Bürger“ ihr da erzählt hatte. Wäre sie tatsächlich vor Ort gewesen und sich den Fundort und die Umgebung angesehen, hätte sie einen solchen, völlig unrecherchierten Artikel nicht schreiben dürfen. Das Foto mit dem toten Reh, direkt an einer Kleingartenanlage, suggeriert dann auch, die Wut auf den Wolf, der es gerissen haben soll. Hätte die Journalistin sich die Mühe gemacht, sich vor Ort umzusehen, hätte sie – egal wie intelligent sie ist – feststellen müssen, dass das Reh gebrochene Hinterläufe hatte. Eine „Blutspur“ oder Fellreste sind nach Fotoansicht nicht auszumachen. Doch die Journalistin schrieb aus der Entfernung an ihrem Redaktionstisch: „Fellreste deuten darauf hin, dass das Tier nicht dorthin geschleppt wurde, sondern direkt vor einem Kleingarten starb.“ Der Mann, der das tote Tier fand, wird als alleiniger Informant genannt. Es war kein Jäger, Wolfsbeauftragter oder Förster, der das Reh fand und die Situation hätte einschätzen können, sondern ein ganz normaler Spaziergänger, der da zitiert wurde.  

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In diesem Bereich wurde das tote Tier abgelegt.

Fakt ist, dass sich ein Reh mit gebrochenen Hinterläufen schwer verletzt vor die Pforte eines Kleingartens am Stadionweg geschleppt haben soll, ist weder glaubwürdig, noch vorstellbar.  Wäre doch die Frage, von wem und warum wurde das Tier dort abgelegt? Passanten hatten laut unserer Recherche aus größerer Entfernung drei Leute gesehen, die etwas aus dem Kofferraum eines Autos gehoben haben. Könnte es etwas das tote Reh gewesen sein?

Die Journalistin wartete – wie leider viele andere Kollegen auch – gar nicht auf den Nachweis, dass es ein Wolf war. Sie fühlt sich berufen, boulevardmäßig zu schreiben: “ Damit hat der graue Räuber auch in Bad Belzig auf einem von Spaziergängern, Joggern und Schulkindern gern genutzten Weg eine Blutspur hinterlassen.“ Das schrieb sie, obwohl der Wolfsbeauftragte Torsten Fritz nur davon sprach, dass ein Wolfsriss nicht ausgeschlossen werden könnte,  man aber die abschließenden Untersuchungen abwarten müsse. Natürlich haben auch wir von Wolfsschutz-Deutschland den Wolfsbeauftragten von Brandenburg, Torsten Fritz, kontaktiert. Wer er uns gegenüber äußerte, kenne er zwar ein Foto des verendeten Rehs, war aber nicht vor Ort zur Aufnahme eines Rissgutachtens, weshalb die ihm in den Mund „gelegten Zitate“ böswillige Fälschungen seien und somit strafbewehrt erscheinen. Den Kehlbiss könne auch ein Hund gesetzt haben.

Reh war wahrscheinlich Opfer eines Verkehrsunfalls

Wahrscheinlicher war es so, dass das Reh Opfer eines Verkehrsunfalls geworden war und  zur Vertuschung,  oder um es so hinzustellen, als sei es ein Wolf gewesen, der Kadaver auf dieser Fläche am Stadionweg abgelegt worden ist. Wildtiere könnten so angelockt worden sein und der schnelle Riss der Tod des Rehs gewesen sein.

Unsere Fotos zeigen die Kleingartenzäune, den Stadionweg und die angrenzende Fläche. Diese, etwa in der Größe eines Fußballfeldes, liegt zwei bis drei Meter tiefer als der Stadionweg, von winterlich vertrocknetem Bodengestrüpp bedeckt.

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Entlang dieses Wegs in dem Naherholungsgebiets wurde das tote Reh gefunden.

Bereits Tage zuvor lag dort verendet ein Reh. Zur der Zeit fiel Schnee, die Temperaturen lagen bei -10° bis – 3°. Auf dem Zeitungsfoto sieht das Reh jedoch nicht aus wie in der Nacht zuvor dort verendet. Der Fundort am Gartenzaun kann nicht der Ort gewesen sein, an dem das Reh verendete. Gut 20 Meter weit auf der tiefer liegenden Fläche fanden sich Fellspuren der Bauchdecke und etwa zehn Meter daneben  weitere Fellspuren des ausgerissenen Hinterlaufs.

 

Auch Spuren von Dachs und Fuchs waren zu sehen

Und dort fanden sich auch Spuren vom Dachs und Fuchs. Soweit ein artgerechter Riss unter Wildtieren.

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Angrenzend an den Weg eine große Wiese und Wald.
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Die Fläche, die an den Gehweg grenzt, hat etwa die Größe eines Fußballfeldes und liegt zwei bis drei Meter tiefer als der Stadionweg.

Wie kam das Tier aber dort hin? Auf der Flucht wird ein Reh instinktiv nie den Ausweg über verstrüpptes, gefährliches Gelände suchen, sondern eher den hinter der Fläche einsetzenden Wald. Wie soll es auch mit gebrochenen Hinterläufen dort vorwärts kommen und auch noch den Höhenunterschied zum Weg hinauf bewältigen?

„Warnungen zu besonderer Vorsicht“  – so der zitierte Torsten Fritz – seien „Sache des örtlichen Ordnungsamtes“. Die Amtsleiterin, Petra Tersch, erklärte uns, dass  mit Anwohnern gesprochen, Schulen und  Ausschüsse informiert worden seien. Da es sich um ein verendetes Wildtier handelte, fanden auch  keine weiteren Untersuchungen statt.

Manuel Reichardt und Rainer Schulz

 

Hier geht es zum Artikel http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Wolf-hinterlaesst-blutige-Spur-am-Stadionteich