Keine rasante Vermehrung: Neue Wolfszahlen für Sachsen entlarven alte Probleme

Das Lupus-Institut glaubt an eine hohe Dynamik unter Sachsens Wolfsrudeln, wie heute in einer aktuellen Pressemitteilung des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie bekannt wird. Wolfsschutz-Deutschland e. V. zweifelt allerdings daran, dass bestimmte Wolfsrudel durch hohen Konkurrenzdruck verschwunden sind. Vielmehr sehen wir einen enorm hohen Jagddruck sowie die ASP-Wildschweinzäune an der Grenze zu Polen als Ursache für das Verschwinden des Neusorge- und des Biehain- sowie des Weißwasser-Rudels.

Neue Territorien nur östlich der Elbe

Im abgeschlossenen Monitoringjahr 2020/2021 konnten in Sachsen 34 Territorien nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um 29 Rudel, drei Paare und zwei territoriale Einzeltiere. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 29 Territorien (28 Rudel und ein Paar).
Die Wolfsterritorien konzentrieren sich auf die bisher bekannten Gebiete. Während das Geschehen in Nordsachsen zu stagnieren scheint, lassen die Daten in Ostsachsen eine hohe Dynamik erkennen. Alle neuen sächsischen Territorien liegen östlich der Elbe. Hier sind im Laufe des letzten Jahres sowohl neue Territorien entstanden als auch bestehende wieder verschwunden, was auf einen hohen Konkurrenzdruck unter den Wölfen hinweisen würde, so das Lupus Institut.
Verteilung der Wolfsrudel in Sachsen. ©Lupus Institut.
Hinzugekommen sind die Rudel Halbendorf und Weißwasser. Auch in der Gohrischheide konnte ein Rudel nachgewiesen werden, nachdem der Status im Monitoringjahr 2019/2020 unklar war. Zudem konnte das Wolfspaar Hammerstadt sowie jeweils ein Einzeltier in den Territorien Niesky II und Sagar nachgewiesen werden. Es wird vermutet, dass es sich bei den Einzeltieren in den Territorien Niesky II und Sagar um Rudel handeln könnte. Die Datenlage reichte jedoch bisher nur aus, um Einzeltiere zu bestätigen.
Die neuen Territorien liegen teilweise in Gebieten, die zuvor von anderen Wölfen besetzt waren. So konnten die beiden Rudel Neusorge und Biehain/Niesky im Monitoringjahr 2020/2021 nicht mehr nachgewiesen werden. Auch das Vorkommen Elstra und das vor Kurzem neu nachgewiesene Rudel Weißwasser waren zum Ende des Monitoringjahres 2020/2021 bereits erloschen. Dieser rasche Wechsel verdeutliche, dass die Territorien in der Lausitz unter den Wölfen hart umkämpft wären, heisst es in der Pressemitteilungen weiter.
Bilder aus unseren Forschungskameras Ostsachsen.

Wir freuen uns über neue Vereinsmitglieder in Sachsen

Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. sehen andere Ursachen für das Verschwinden von Wolfsrudeln nahe an der polnischen Grenze. Wir haben in diesen Gebieten ebenfalls Forschungswildkameras untergebracht, da wir daran forschen, welche Beutetiere und welche anderen kleinen Beutegreifer, wie z. B. Fuchs und Goldschakal ebenfalls im Wolfsrevier leben. Mit unserer Langzeitstudie wollen wir nachweisen, dass Wölfe im Gegensatz zur Behauptung vieler Jäger, eben keineswegs ihr Revier leerfressen. Bisherige Ergebnisse bestätigen, dass sowohl die Beute, wie Rothirsch oder Wildschein, als auch andere kleinere Beutegreifer sehr entspannt mit Wölfen „Tür an Tür“ leben. Nach unseren Beobachtungen sind es vor allem praktisch wöchentlich stattfindende Treibjagden auf Wildschweine, die auch die Wölfe in den Gebieten Ostsachsen erheblich stören. Als Begründung dieser Treibjagden wird die Vorbeugung der Schweinepest angegeben. Wir befürchten allerdings, dass bei diesen Treibjagden nicht nur auf Wildschweine geschossen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schonzeit des Rotwilds aufgehoben wurde und gerade in der Region Neusorge und Bihain intensivst  gejagt wird. Wir beobachten dies sogar in einem so genannten Prozeßschutzgebiet, in dem normalerweise gar nicht gejagt werden dürfte.
Bilder aus unseren Forschungskameras Ostsachsen.
Wir suchen dringend naturbegeisterte Menschen, die uns in Sachsen, Schwerpunktmäßig gerade auch in Ostsachsen unterstützen möchten. Wir sichern Anonymität zu. Hier unsere Hotline: 0176 48732612. Mitgliedsanträge gibt es hier: https://wolfsschutz-deutschland.de/mitglied-werden/

Zwei Wolfsmütter pro Rudel bleiben eine Ausnahme

In den Rudeln Nochten, Neustadt/Spremberg, Knappenrode/Seenland und Dauban wurden Doppelreproduktionen nachgewiesen, die das Lupus Institut ebenfalls als Folge des Konkurrenzdrucks deutet. Bei einer Doppelreproduktion sind zwei Wolfsfähen des Rudels gleichzeitig trächtig, sodass sich die Zahl des Nachwuchses im Rudel zusätzlich erhöht. Normalerweise bekommen nur die Elterntiere eines Rudels ein mal im Jahr Nachwuchs.
Eine andere Entwicklung beobachtet das Lupus Institut westlich der Elbe. In Nordsachsen sind keine neuen Rudel nachgewiesen worden. Die drei bereits bekannten Rudel Delitzsch, Authausener Wald und Dahlener Heide konnten erneut bestätigt werden. Im nördlich von Leipzig gelegenen Delitzscher Rudel hat sich die Wolfsfähe mit ihrem Sohn gepaart, was auf das Fehlen eines geeigneten Partners hindeutet und damit auf die fehlende Zuwanderung neuer Tiere. Wir von Wolfsschutz-Deutschland sehen dies ebenfalls als Indiz dafür an, dass Wölfe dort heimlich beseitigt werden.
Das Lupus-Institut hat weiter herausgefunden: Auf dem Erzgebirgskamm gibt es drei grenzübergreifende Wolfsterritorien, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite bei Prebuz, Výsluni und Fláje haben. Das im Monitoringjahr 2019/2020 südlich von Marienberg mit dem Status »unklar« beschriebene Gebiet wird im Monitoringjahr 2020/2021 für Sachsen nicht mehr aufgeführt, da Wolfshinweise aus diesem Gebiet dem tschechischen Rudel Výsluní zuzuordnen sind. In der Böhmischen Schweiz sowie dem Lausitzer Gebirge befinden sich ebenfalls zwei grenzüberschreitende Rudel, bei Luzické hory východ und Luzické hory zapad, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite haben.
Auch im Raum Moritzburg und im Nationalpark Sächsische Schweiz wurden Wölfe durch das Lupus Institut nachgewiesen. Es konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob es sich dabei um eigenständige Vorkommen handelt oder ob diese Gebiete von benachbarten Rudeln mitgenutzt werden. Der Status blieb in diesen Gebieten daher unklar.
Insgesamt konnten im Monitoringjahr 2020/2021 87 Welpen in Sachsen nachgewiesen werden, davon sechs westlich und 81 östlich der Elbe. In den grenzübergreifenden Rudeln wurden die Welpen alle auf tschechischer Seite nachgewiesen und werden dort mitgezählt.
Tot aufgefunden wurden in Sachsen 23 Wölfe: 14 Wölfe sind bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, bei sieben Fällen handelte es sich um natürliche Todesursachen, bei einem Fall um eine illegale Tötung, bei einem weiteren Fall bleibt die Todesursache unklar. Der Schwerpunkt der Totfunde liegt in den Gebieten mit hohen Wolfsvorkommen in Ostsachsen.
Von einer rasant steigenden Entwicklung der Wolfspopulation, wie es Jäger, Weidetierhalter und Wolfsgegner immer wieder behaupten, kann also auch in diesem Jahr überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil sehen wir klare Indizien dafür, dass Wölfe heimlich beseitigt werden. Die Täter scheinen wenig Furch vor einer Aufdeckung zu haben, obwohl illegale Abschüsse schwere kriminelle Taten darstellen und mit Gefängnis von bis zu fünf Jahren bestraft werden können.

28 Wolfsrudel und ein Wolfspaar in Sachsen durch das Monitoring bestätigt

Beispielfoto © Brigitte Sommer

 

Aktuell gibt es in Sachsen 29 bestätigte Wolfsterritorien. Dabei handelt es sich um 28 Rudel und ein Paar. Neu dazugekommen sind die Rudel Neukollm, Daubitz II, Rauden und Hohwald, die alle in der Lausitz liegen. Das teilte die Fachstelle Wolf des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) heute in Dresden mit. Sie beruft sich dabei auf die jetzt vorliegende Auswertung für das Monitoringjahr 2019/2020, das den Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis zum 30. April 2020 umfasst.

Die Auswertung zeigt, dass sich der Wolfsbestand mit vier neuen Rudeln in der Lausitz verdichtet hat und insgesamt räumlich in Sachsen ausbreitet. Inzwischen ist auch der Nordwesten Sachsens besiedelt und im Erzgebirge gab es ebenfalls mehr Nachweise als in den vergangenen Jahren. Die beiden im Erzgebirge bestätigten Vorkommen werden jedoch nicht über das sächsische Monitoring erfasst, da sie ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite haben.

In vier weiteren Gebieten in Sachsen gibt es einzelne Nachweise, die auf ein Wolfsvorkommen schließen lassen. Dazu gehören der Wermsdorfer Forst, der Raum Marienberg, der Raum Moritzburg und der Raum Weißwasser. Ob es sich dabei um Einzeltiere, ein Paar oder Rudel handelt und ob die Gebiete gegebenenfalls zu Wolfsterritorien werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar und wird über das Monitoring weiter beobachtet. Hingegen ist der Status in den beiden bisher bestätigten Territorien Gohrischheide und Stolpen-Hohnstein aktuell unklar. Es konnten nicht genügend Nachweise für ein dauerhaftes Wolfsvorkommen erbracht werden.

Screenshot © LFULUG

In 26 Rudeln hat es im Monitoringjahr 2019/2020 Nachwuchs gegeben. Insgesamt konnten 96 Welpen bestätigt werden. In den Rudeln Knappenrode II, Neustadt/Spremberg und Nochten hat es jeweils eine Doppelreproduktion gegeben. Das belegen sowohl Fotoaufnahmen, als auch genetische Untersuchungen. Zu einer Doppelreproduktion kann es zum Beispiel kommen, wenn eine jungerwachsene Wölfin im elterlichen Rudel ebenfalls Nachwuchs bekommt und so aus zwei Generationen Welpen aufgezogen werden.

Der Wolfsbestand hat nicht nur Zuwachs bekommen. 24 Wölfe sind tot aufgefunden worden. In 18 Fällen waren Verkehrsunfälle die Ursache. Drei Wölfe starben eines natürlichen Todes, ein Wolf wurde im Dezember 2019 illegal getötet und in zwei Fällen blieb die Todesursache unklar.

Im aktuell laufenden Monitoringjahr 2020/2021 konnte bisher in 17 Rudeln eine Reproduktion nachgewiesen werden. Auch zu den beiden mit einem Senderhalsband ausgestatteten sächsischen Wölfen gibt es neue Daten: Die Wölfin „Juli“ (FT12) hatte Sachsen bereits im März Richtung Mecklenburg-Vorpommern verlassen. Seither hält sie sich im Landgrabental zwischen Anklam und Friedland auf und ist offensichtlich dort sesshaft geworden. Der seit April 2020 mit einem Senderhalsband ausgestattete Rüde „Peter“ (MT8) ist der Vaterwolf des Mulkwitzer Rudels. Er bewegt sich als territorialer Wolf am Rand des Truppenübungsplatzes Oberlausitz auf einer Fläche von rund 60 Quadratkilometern. Über Aufnahmen aus Fotofallen konnten im Mulkwitzer Rudel bisher drei Welpen bestätigt werden.

Wir von Wolfsschutz Deutschland e. V. konnten allerdings keine Nachweise zum Rudel bei Neusorge feststellen und auch keine Nachweise zum Rosenthaler Rudel. Wir forschen zur Anwesenheit von anderen Arten in Wolfsrevieren und haben hierdurch natürlich auch die Nachweise von Wölfen auf unseren Forschungswildkameras. Im Fall der beiden erwähnten Rudel haben wir weder Bilder noch Spuren in diesem Jahr gefunden.

Ein Monitoringjahr lehnt sich nicht an das Kalenderjahr an, sondern an das biologische „Wolfsjahr“: von der Geburt der Welpen bis zum Ende ihres ersten Lebensjahres. Die ausführliche Datenauswertung der jährlichen Erhebung kann immer erst im Herbst abgeschlossen werden, da die Untersuchungsergebnisse der im Frühjahr gesammelten Genetikproben nicht früher vorliegen. Diese werden jedoch benötigt, um die Anzahl der Territorien zu ermitteln.

Quelle: http://www.dbb-wolf.de