Wolf Bram in den Niederlanden: Abschüsse sind keine Lösung

Der Vorfall am 30. Juli 2025 in der Provinz Utrecht, bei dem ein sechsjähriges Kind von einem Wolf, vermutlich GW3237m („Bram“), verletzt wurde, hat eine Debatte über den Umgang mit Wölfen ausgelöst. Die darauf folgende Abschussgenehmigung für „Bram“ ist jedoch ein von Hysterie geprägter Schritt. Dieser Vorfall zeigt nicht die Gefährlichkeit von Wölfen, sondern die Folgen menschlichen Fehlverhaltens und die Überreaktion auf ein seltenes Ereignis im Vergleich zu alltäglichen Gefahren.

Meinungsartikel von Brigitte Sommer, Vorsitzende von Wolfsschutz-Deutschland e.V.
Die Arbeitsgruppe Wolf Leusden hat in ihrem umfassenden Einspruch gegen die Abschussgenehmigung für „Bram“ (37 Seiten Hauptdokument, 24 Seiten Add-ons, 33 Quellen, 78 Anhänge, Frist 19. August 2025) aufgezeigt, warum die Entscheidung der Provinz Utrecht vom 8. Juli 2025 rechtlich und wissenschaftlich nicht haltbar ist. Sie verstößt gegen EU-Habitatrichtlinien, das niederländische Umweltgesetz und das Allgemeine Verwaltungsgesetz. Die Provinz hätte versäumt, vorgeschriebene Maßnahmen wie eine 400-Hektar-Rastfläche, Gebietssperrungen, zusätzliche Beleuchtung oder Online-Informationen umzusetzen. DNA-Beweise seien aufgrund fehlerhafter Probenahme, Spurenvernichtung und fehlender Beweiskette unzuverlässig. Weniger invasive Alternativen wie Konditionierung oder Umsiedlung seien nicht geprüft worden. Die Entscheidung ignoriere die Rolle von „Bram“ als Rudelvater, dessen Tod die Welpen gefährden würde, da er für Nahrung, Schutz und Sozialisierung entscheidend ist. Zudem bestehe ein Interessenkonflikt, da eine Person gleichzeitig Beweissammlung, Beratung und Abschuss übernimmt und Verbindungen zur Jägerschaft hat. Auch wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. lehnen Abschüsse kategorisch ab. Beobachtungen vom Juli 2025 zeigen laut der Arbeitsgruppe Wolf Leusen, dass „Bram“ sich um seine Welpen kümmert und der Vorfall vom 19. Mai 2025, bei dem ein Kind gebissen und mitgeschleift wurde,  könnte tatsächlich auf defensives Verhalten in der Nähe der Wurfhöhle hinweisen, falls es tatsächlich Wolf Bram gewesen ist. Die niederländischen Quellen widersprechen sich hier. Die Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) wies bereits 2022 und 2024 auf die Notwendigkeit frühzeitiger Intervention bei auffälligem Wolfsverhalten hin, doch die Provinz Utrecht hat es versäumt, rechtzeitig zu handeln. Die Abschussgenehmigung für „Bram“ wurde am 23. Juli 2025 rechtskräftig, das Gericht lehnte danach eine Klage gegen den Abschuss, die von der Arbeitsgruppe Wolf Leusden eingereicht worden war ab, gab jedoch der Arbeitsgruppe praktisches Tipps für die nächste Klageeinreichung.
Beispielfoto Wolf. © Brigitte Sommer

Reale Gefahren für Kinder

Die mediale Aufmerksamkeit für den Vorfall mit „Bram“ erweckt den Eindruck, Wölfe seien eine große Gefahr für Kinder. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild. In Wirklichkeit sind alltägliche Gefahren weitaus relevanter: „Kinder sind im Alltag Gefahren wie Verkehrsunfällen, Haushaltsunfällen oder Angriffen durch Haustiere ausgesetzt, die statistisch gesehen ein Vielfaches häufiger schwerwiegende Verletzungen verursachen“. Wir berichteten hier: https://wolfsschutz-deutschland.de/2023/02/13/rotkaeppchensyndrom-versus-fakten-woelfe-nicht-unter-den-gefahren-fuer-kinder/
Seit dem Vorfall mit „Bram“ wurden mehrere Kinder von Hunden gebissen – Vorfälle, die weder Forderungen nach Tötungen, noch großes Presseecho auslösten. Diese Diskrepanz zeigt, wie selektiv Wölfe als Bedrohung dargestellt werden, obwohl das Risiko durch Wölfe verschwindend gering ist im Vergleich zu normalen Lebensrisiken wie Verkehrsunfällen (in den Niederlanden jährlich über 600 Verletzte unter 12 Jahren) oder Stürzen im Haushalt. Die wahren Gefahren für Kinder liegen in menschlichem Fehlverhalten. Im Gebiet Utrechtse Heuvelrug wurde „Bram“ unter anderem auch wiederholt durch Hobbyfotografen und auch professionellen Fotografen gestört, die Wölfe mit Futter anlocken, um Fotos für soziale Medien oder zum Verkauf zu machen, was ihr natürliches Scheuverhalten untergräbt. Ebenso wurde Besuchern vorgeworfen, keinen ausreichenden Abstand zu „Bram“ zu halten. Eltern tragen eine zentrale Verantwortung. Gestern berichtete das RTL-Format Life über einen Angriff von einer Mutterkuh auf ein kleines Mädchen, das dadurch schwer verletzt und zusätzlich auch noch schwer traumatisiert wurde. Seine Mutter warf den Almbauern vor, aggressive Mutterkuhherden ohne Zaun auf Wanderwegen frei laufen zu lassen. Von einem großen Medienecho oder gar Abschussforderungen ist dennoch keine Rede. Auch für das Kind, das in den Niederlanden gebissen wurde, ist das Erlebnis sicherlich traumatisierend. Ich wünsche dem Kind eine rasche Genesung und eine professionelle Begleitung bei der Aufarbeitung und hoffe sehr, dass es künftig dadurch keine Angst vor Wölfen im Allgemeinen hat.
Ein Statement der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) zum Vorfall mit „Bram“ betont eine „eskalierende Sequenz von Einzelvorfällen“ und verweist auf das „Konzept zum Umgang mit auffälligen Wölfen“ (DBBW-Statement, 30. Juli 2025). Doch die DBBW ist nicht neutral, sondern weisungsgebunden und steht unter politischem Druck, Abschüsse zu legitimieren. Ihr Fokus auf frühzeitiges Eingreifen ignoriert die mangelnde Beweislage und die Verantwortung der Behörden, menschliches Verhalten zu regulieren. Die DBBW erwähnt, dass „Bram“ bereits 2024 ein Kind umstieß und eine Frau biss, doch die Arbeitsgruppe Wolf Leusden weist nach, dass diese Vorfälle forensisch unzureichend dokumentiert sind. Diese Einseitigkeit unterstreicht die Notwendigkeit unabhängiger Untersuchungen. Verantwortung statt Panikmache. Die Darstellung von Wölfen als Bedrohung ist unverhältnismäßig und lenkt von alltäglichen Gefahren ab. Abschüsse, wie die Genehmigung für „Bram“, sind keine Lösung – sie gefährden die ökologische Rolle des Wolfs und ignorieren Alternativen wie Gebietssperrungen oder Aufklärung. Die Entscheidung der Provinz Utrecht ist vom Druck durch Grundbesitzer und das Ministerium geprägt, während wissenschaftliche und rechtliche Standards missachtet werden.
Wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. stehen an der Seite der Arbeitsgruppe Wolf Leusden, die für eine Klage gegen den Abschuss extra eine Stiftung gegründet hat. Wir fordern eine verantwortungsvolle Koexistenzpolitik, die normale Lebensrisiken in Perspektive setzt. Es gibt zahlreiche Risiken, sich im Wald zu verletzen. Wildtiere, egal welche, bedeuten letztendlich immer ein Risiko. Ja, und es kann natürlich auch mal ein Wolf beißen. Ja sogar durch herab fallende Äste können Kinder verletzt werden. Das gefährlichste Tier im Wald ist jedoch immer noch die Zecke, die sehr unangenehme Krankheiten wie Borreliose oder FSME übertragen kann. Die Folgen, gerade für Kinder, sind oft schwer wiegende Hirnhautentzündungen, die auch tödlich enden können. Haben wir verlernt, mit dem allgemeinen Liebensrisiko umzugehen?
Wolf Bram wurde bislang wohl kein einziges Mal fachgerecht vergrämt. Dies müsste nun dringend nachgeholt werden. Denn eines ist klar, er muss lernen, dass von Menschen wirklich nichts Gutes kommt. Aber auch für Menschen, die anfüttern, oder durch andere Mittel, wie das Auslegen von Losungen, oder das Verschütten von Fischöl, damit die Wölfe dort vor Wildkameras posieren, muss es harte Konsequenzen geben.

Es gibt eine Petition für Bram

https://wolfbram.petities.nl/?fbclid=IwY2xjawMSRgtleHRuA2FlbQIxMQABHv7-VnWbCTnORcZmYWO-j_LxGs9eJgaOklqCyE5XKsPCez4HRV3-zNO51Z6V_aem_M3SAMLt_eTZ7TNd-boxSCQ

Weitere Quellen:
Beitrag Gefährliche Kühe auf RTL Life

Niederlande: Im Zweifel gegen den Angeklagten – Wolf Bram soll sterben

Die Werkgroep Wolf Leusden prangerte in einer Pressemitteilung vom 14. Juli 2025 die Entscheidung der Provinz Utrecht an, den Wolf GW3237m, genannt „Bram“, zu töten, an. Dieser Wolf, Vater eines Rudels mit jungen Welpen auf der Utrechtse Heuvelrug, würde aufgrund eines angeblichen Bissvorfalls und eines fragwürdigen DNA-Berichts sein Leben verlieren, heißt es. Wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. unterstützen die Kritik der Werkgroep Wolf Leusden. Auch kennen wir solche fragwürdigen und rechtswidrigen sowie unethischen Entscheidungen aus Deutschland. Die Beweise sind unzulänglich, Interessenkonflikte offensichtlich, und der Tierschutz wird missachtet. Jetzt wird sich das Verwaltungsgericht in Utrecht am 23. Juli 2025 mit der umstrittenen Abschussgenehmigung beschäftigen.

 

Mangelhafte DNA-Beweise: Keine Grundlage für einen Abschuss

Nach Angaben der Werkgroep Wolf Leusden würde die Provinz Utrecht den Abschuss von GW3237m mit einem Bericht des belgischen Instituts für Natur- und Forstforschung (INBO) rechtfertigen, der eine DNA-Übereinstimmung mit einem Bissvorfall im Mai 2025 auf dem Landgut Den Treek-Henschoten in Leusden behaupten würde. Doch der Bericht wäre wissenschaftlich fragwürdig. Von zehn DNA-Proben seien sieben unbrauchbar gewesen, nur drei bis vier Proben hätten verwertbare Ergebnisse geliefert. Es würde nicht angegeben, wie hoch die Fehlermarge sei, ob die DNA von einem Verwandten stammen könne oder welche Art von DNA untersucht wurde. Eine zweite, unabhängige Laboranalyse fehle und die Beweiskette („chain of custody“) sei nicht dokumentiert. Besonders schwerwiegend: Die Wunde der betroffenen Person sei vor der Probenentnahme mit Wasser ausgespült worden, was die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination oder eines DNA-Verlusts erhöhe. Gerade bei Wölfen in Familienverbänden wäre das Risiko einer falschen Zuordnung hoch. Ein solcher DNA-Beweis dürfte keinen Abschuss eines streng geschützten Wolfs rechtfertigen. Artikel 16 der EU-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG) und das niederländische Recht (Artikel 3:2 und 3:46 Awb) würden eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für Ausnahmen vom Tötungsverbot verlangen. Diese Standards wären hier nicht erfüllt. Wir teilen die Auffassung der Werkgroep Wolf Leusden, dass die Entscheidung rechtswidrig sei und den Artenschutz gefährdet.
Beispielfoto Wolf © Brigitte Sommer

Interessenkonflikte: Die Jagdlobby im Spiel

Die Werkgroep Wolf Leusdene weist auf einen eklatanten Interessenkonflikt hin: Die Person, die von der Provinz Utrecht beauftragt worden sei, das Verhalten von GW3237m zu überwachen, Informationen an BIJ12 weitergegeben habe und vermutlich den Abschuss durchführen würde, sei zugleich Faunamanager und Besitzer einer Jagdreiseagentur. Diese Doppelrollen würden gegen das niederländische Recht (Artikel 2:4 und 3:2 Awb) verstoßen, das unparteiische Entscheidungen ohne Eigeninteresse vorschreibe. Der sprichwörtliche „Jagdansitz“ stehe bereits bereit – ein gesetzwidriger Vorgang, der gegen das Verbot der Voreingenommenheit (Artikel 2:4 Awb) und die Anforderungen an eine sorgfältige Entscheidungsvorbereitung verstoßen würde. Wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. unterstützen diese Kritik, denn solche Interessenkonflikte gefährden die Integrität des Artenschutzes und müssen aufgedeckt werden.

Keine Alternativen geprüft: Missachtung der Habitat-Richtlinie

Die Werkgroep Wolf Leusden betont, dass die Provinz Utrecht versäumt habe, alternative Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu prüfen, wie es Artikel 16 der Habitat-Richtlinie und das niederländische Recht (Artikel 8.74k Bkl) vorschreiben würden. GW3237m habe vor allem Interesse an frei laufenden Hunden gezeigt, vermutlich auf der Suche nach einem Partner und keine unmittelbare Gefahr für Menschen dargestellt. Statt Leinenpflichten oder temporäre Einschränkungen für Hunde in Gebieten wie Zeist, Austerlitz, Leusden oder Bussum konsequent durchzusetzen, habe die Provinz lediglich auf ineffektive Informationskampagnen gesetzt. Solche Maßnahmen seien, wie im Wolvenplan der Provinz Utrecht zugegeben, weitgehend ignoriert worden. Eine gezielte Durchsetzung hätte Konflikte entschärfen können, ohne den Wolf zu töten. Die Habitat-Richtlinie würde Ausnahmen vom Tötungsverbot nur erlauben, wenn alle Alternativen ausgeschöpft seien und eine klare Gefahr nachgewiesen werde. GW3237m sei in 424 Tagen nur 19 Mal in der Nähe von Menschen gesichtet worden, meist in Verbindung mit Hunden, ohne ein Verhalten zu zeigen, das eine unmittelbare Bedrohung darstelle. Die Behauptung, er sei eine „direkte Gefahr“, würde wissenschaftlichen Erkenntnissen über Wolfsverhalten widersprechen.

Versäumnisse der Provinz: Ruhegebiete ignoriert

Im November 2024 habe die Provinz Utrecht beschlossen, Ruhegebiete für Wölfe einzurichten, doch diese Verpflichtung sei nicht umgesetzt worden. Statt Schutz zu bieten, würde die Provinz nun einen Vaterwolf zum Abschuss freigeben, was die Stabilität seines Rudels und die Zukunft der Welpen gefährde. Wir teilen die Kritik der Werkgroep Wolf Leusden, denn diese Entscheidung verstößt gegen die eigenen Zusagen der Provinz und die Vorgaben der EU-Habitat-Richtlinie, die den Schutz von Wölfen als streng geschützte Art vorschreibt.

Fazit

Der Wolf GW3237m, „Bram“, ist kein Problemwolf, sondern ein Vater, dessen Rudel von ihm abhängt. Sein Tod aufgrund unzulänglicher Beweise und Interessenkonflikte würde nicht nur eine Wolfsfamilie zerstören, sondern den Artenschutz in Europa weiter schwächen. Wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. stehen an der Seite der Werkgroep Wolf Leusden und wir fordern alle Wolfsfreunde auf, für Brams Leben zu kämpfen – für einen kompromisslosen Schutz aller Wölfe und eine Zukunft, in der Mensch und Natur im Einklang leben können.

Fall vor Gericht

Das Verwaltungsgericht in Utrecht wird sich laut RTV Utrecht am 23. Juli 2025 mit der umstrittenen Abschussgenehmigung  beschäftigen.  Die Provinz verteidigt ihre Entscheidung mit der Notwendigkeit, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, obwohl der Wolf in 424 Tagen nur 19 Mal in der Nähe von Menschen gesichtet wurde, meist in Verbindung mit Hunden. Das Gericht wolle nun prüfen, ob die Entscheidung rechtmäßig war und ob die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten wurden. Die Verhandlung wird live übertragen und ist für alle Interessierten zugänglich. Bis dahin bleibt die Abschussgenehmigung vorläufig bestehen, was die Spannungen in der Region weiter erhöhen könnte.
Quellen: