Eigeninteressen oder Artenschutz? Pagels Wolfspolitik unter Kritik
Offener Protestbrief von Wolfsschutz-Deutschland e.V.
An Theo Pagel, Zoodirektor des Kölner Zoos und Präsident der World Association of Zoos and Aquaria (WAZA)
Betreff: Ihre Äußerungen zur Jagd auf Wölfe in Deutschland und mögliche Eigeninteressen
Sehr geehrter Herr Pagel,
mit großer Bestürzung haben wir Ihre jüngsten Aussagen im Podcast „Talk mit K“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sowie in der Donnerstagsausgabe der Zeitung zur Kenntnis genommen. Ihre Forderung nach Jagdquoten für Wölfe in Deutschland, um die wachsende Population zu dezimieren, ist aus unserer Sicht nicht nur wissenschaftlich fragwürdig, sondern auch ein Rückschritt in den Bemühungen um den Schutz dieser faszinierenden und ökologisch unverzichtbaren Tierart. Als Wolfsschutz-Deutschland e.V. sehen wir uns gezwungen, entschieden gegen Ihre Position Stellung zu beziehen.
Sie behaupten, dass der Wolf lernen müsse, sich vom Menschen fernzuhalten, und dass dies nur durch eine Bejagung zu erreichen sei. Diese Argumentation ignoriert die natürlichen Verhaltensweisen des Wolfs, der von Natur aus scheu ist und Konflikte mit Menschen meidet. Statt die Tiere zu töten, sollten wir uns darauf konzentrieren, präventive Maßnahmen wie Herdenschutz bundesweit zu fördern und die Akzeptanz in der Bevölkerung durch Aufklärung zu stärken.
Ihre Aussage, dass es ein „schwieriges Unterfangen“ sei, die Interessen von Wolfs-Befürwortern und Schafzüchtern unter einen Hut zu bringen, mag zutreffend sein – doch die Lösung kann nicht darin bestehen, eine geschützte Art zum Abschuss freizugeben. Vielmehr braucht es eine nachhaltige Strategie, die sowohl die Bedürfnisse der Landwirte als auch den Artenschutz berücksichtigt. Förderprogramme für Herdenschutzmaßnahmen, wie sie in anderen Ländern erfolgreich umgesetzt werden, könnten hier ein gangbarer Weg sein. Der Vergleich mit Rotwild hinkt: Wölfe sind Spitzenprädatoren, die das ökologische Gleichgewicht fördern, indem sie Wildbestände natürlich regulieren – ein Effekt, den keine Jagdquote ersetzen kann.
Besonders befremdlich finden wir Ihre Spekulation über den hypothetischen Fall eines Wolfs, der ein Rennpferd im Wert von zwei Millionen Euro reißen könnte. Solche Szenarien sind nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch irreführend. Sie schüren Ängste und lenken von der eigentlichen Herausforderung ab: einem friedlichen und respektvollen Miteinander von Mensch und Natur. Ihre Position als Zoodirektor und Präsident der WAZA verleiht Ihren Worten Gewicht – umso enttäuschender ist es, dass Sie diese Reichweite nutzen, um eine archaische Lösung wie die Jagd zu propagieren, anstatt innovative Ansätze für das Zusammenleben mit Wölfen zu unterstützen.
Ergänzend stellt sich uns die Frage, ob Ihre Mitgliedschaft im Beirat der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung NRW Ihre Haltung beeinflusst. Diese Einrichtung beschäftigt sich intensiv mit der Regulierung von Wildbeständen und der Verhütung von Wildschäden, oft im Interesse jagdlicher Kreise. Spielen hier Eigeninteressen eine Rolle? Ist Ihre Befürwortung von Jagdquoten möglicherweise auch Ausdruck einer Nähe zu jagdlichen Perspektiven, die Sie in dieser Funktion vertreten? Diese Verbindung wirft berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit Ihrer Position auf und verstärkt den Eindruck, dass Ihre Aussagen weniger dem Artenschutz als vielmehr anderen Interessen dienen könnten.
Sie selbst verweisen darauf, dass andere Länder seit Jahrhunderten mit Wölfen leben. Warum also sollten wir in Deutschland nicht von diesen Erfahrungen lernen, anstatt den einfachen Weg der Tötung zu wählen? Der Wolf ist kein Feind, sondern ein Teil unserer Natur, der nach Jahrzehnten der Ausrottung endlich zurückkehrt. Es liegt an uns, diese Rückkehr als Chance zu begreifen – für die Biodiversität, für unsere Wälder und für kommende Generationen.
Wir fordern Sie auf, Ihre Position zu überdenken und sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Wolf einzusetzen. Als Leiter eines Zoos, der für Bildung und Artenschutz stehen sollte, tragen Sie eine besondere Verantwortung. Klären Sie öffentlich, inwieweit Ihre Rolle im Beirat der Forschungsstelle Ihre Haltung prägt und setzen Sie sich für Koexistenz statt Konfrontation ein – für Prävention statt Bestrafung. Der Wolf verdient unseren Schutz, nicht unsere Gewehre.
Mit den besten Grüßen
Jürgen Götz,
Ulrike De Heuvel
Volker Vogel
Brigitte Sommer
Vorstand Wolfsschutz-Deutschland e. V.
Update: Hier die Antwort von Zoodirektor Pagel auf unseren Offenen Brief an ihn (zum Vergrößern einfach auf das jeweilige Bild klicken):