Verschwinden von Wolfsrudeln in Sachsen – Sättigung oder andere Ursachen?

Die Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) vom 19. Juni 2025 (veröffentlicht auf medienservice.sachsen.de) erklärt das Verschwinden von drei Wolfsrudeln in Sachsen im Jahr 2024 mit einer möglichen „Sättigung des Wolfsbestandes“. Wolfsschutz-Deutschland e.V. sieht diese Interpretation kritisch und fordert eine differenziertere Betrachtung der Ursachen. Eine Analyse der aktuellen Zahlen im Vergleich zum Vorjahr und eine kritische Auseinandersetzung mit der offiziellen Darstellung zeigen, dass die Sättigungsthese nicht ausreichend belegt ist und andere Faktoren wie menschliche Einflüsse oder unzureichende Schutzmaßnahmen eine größere Rolle spielen könnten.

Zahlenvergleich

Wolfsbestand 2023 vs. 2024: Laut der Pressemitteilung vom 19. Juni 2025 wurden in Sachsen im Jahr 2024 insgesamt 35 Wolfsrudel, sechs Wolfspaare ein Einzelterritorium und fünf sesshafte Einzelwölfe registriert, was einer Gesamtzahl von etwa 180 bis 230 Wölfen entspricht. Im Vergleich dazu gab es im Jahr 2023 laut dem Wolfsmonitoring des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) 46 Wolfsrudel, zwei Einzelterritorien und vier sesshafte Einzelwölfe, was eine Gesamtzahl von etwa 190 bis 240 Wölfen ergab.

  • Rückgang der Rudel: Die Zahl der Wolfsrudel sank von 43 (Wolfsmonitoringjahr 2023/24) auf 41 (2024/25), was einem Rückgang von etwa 4,7 % entspricht.
  • Einzelwölfe und Territorien: Die Zahl der Einzelterritorien und sesshaften Einzelwölfe blieb relativ stabil (von zwei auf ein Einzelterritorium und von vier auf fünf Einzelwölfe).
  • Gesamtzahl der Wölfe: Die geschätzte Gesamtzahl der Wölfe ging leicht zurück (von 190–240 auf 180–230), wobei die Schwankungsbreite die genaue Interpretation erschwert.

Die Pressemitteilung führt den Rückgang der Rudel auf eine „Sättigung des Wolfsbestandes“ zurück, da die verfügbaren Lebensräume angeblich ausgeschöpft seien. Doch diese These wirft Fragen auf, die einer kritischen Prüfung bedürfen.

Symbolfoto Wolf. © Brigitte Sommer

Kritik an der Sättigungsthese

Wolfsschutz-Deutschland e.V. bezweifelt, dass die Sättigung des Lebensraums die Hauptursache für das Verschwinden der drei Wolfsrudel ist. Sachsen bietet mit seinen ausgedehnten Wäldern, insbesondere in der Oberlausitz, noch immer potenziellen Lebensraum für Wölfe. Studien zeigen, dass Wölfe anpassungsfähig sind und auch in fragmentierten Landschaften überleben können, solange Nahrung und Schutz vorhanden sind. Die Annahme einer Sättigung ignoriert andere mögliche Gründe, die näher untersucht werden müssen:

  1. Illegale Tötungen: In den letzten Jahren gab es wiederholt Berichte über illegal getötete Wölfe in Deutschland. Der Rückgang von Rudeln könnte auf Wilderei oder gezielte Abschüsse zurückzuführen sein, die nicht immer offiziell erfasst werden. Die Pressemitteilung erwähnt solche Vorfälle nicht, obwohl sie in Sachsen dokumentiert sind.
  2. Mensch-Wolf-Konflikte: Die zunehmende Akzeptanzproblematik in ländlichen Regionen, insbesondere bei Landwirten, führt zu Konflikten. Fehlende oder unzureichende Herdenschutzmaßnahmen könnten Wölfe in gefährliche Situationen bringen, sei es durch direkte Konfrontationen oder durch behördlich genehmigte Abschüsse nach Nutztierrissen.
  3. Verkehrsunfälle: Wölfe sind häufig Opfer von Verkehrsunfällen, insbesondere in Regionen mit dichter Verkehrsinfrastruktur wie Sachsen. Der Verlust von Leitwölfen durch solche Unfälle kann die Stabilität eines Rudels gefährden und zum Zerfall führen.
  4. Natürliche Faktoren: Krankheiten oder Konkurrenz könnten ebenfalls eine Rolle spielen, werden in der Pressemitteilung jedoch nicht thematisiert. Die einseitige Fokussierung auf Sättigung blendet diese Faktoren aus

 

Symbolfoto Wolfsfamilie. Foto: Copyright Brigitte Sommer
Symbolfoto Wolfsfamilie. Foto: Copyright Brigitte Sommer

Forderungen von Wolfsschutz-Deutschland e.V.

Anstatt die Sättigungsthese unreflektiert zu akzeptieren, fordern wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. eine umfassende Untersuchung der tatsächlichen Ursachen für das Verschwinden der Wolfsrudel. Konkret schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

  • Transparente Ursachenforschung: Die Behörden sollten detaillierte Analysen veröffentlichen, die alle möglichen Ursachen für den Rückgang der Rudel berücksichtigen, einschließlich illegaler Tötungen und Verkehrsunfälle.
  • Verstärkter Schutz: Ausbau von Herdenschutzmaßnahmen und die Förderung von Koexistenzmodellen zwischen Mensch und Wolf 
  • Strengere Strafen für Wilderei: Illegale Tötungen müssen konsequenter verfolgt und bestraft werden, um den Schutz der Wölfe zu gewährleisten.
  • Öffentlichkeitsarbeit: Eine stärkere Aufklärung der Bevölkerung über die ökologische Bedeutung der Wölfe könnte die Akzeptanz erhöhen und Konflikte reduzieren.

Fazit

Die Behauptung des SMEKUL, dass der Rückgang der Wolfsrudel in Sachsen auf eine Sättigung des Lebensraums zurückzuführen sei, erscheint voreilig und unzureichend belegt. Die Zahlen zeigen zwar einen leichten Rückgang des Wolfsbestandes, doch die tatsächlichen Ursachen bleiben unklar. Wolfsschutz-Deutschland e.V. fordert eine differenzierte Betrachtung und konkrete Maßnahmen, um den Schutz der Wölfe in Sachsen zu verbessern. Ohne eine umfassende Untersuchung der Hintergründe bleibt die Sättigungsthese eine einfache Erklärung, die mögliche menschliche Einflüsse oder andere Faktoren ausblendet. Der Wolf als Teil der heimischen Biodiversität verdient eine fundierte und transparente Schutzstrategie, die über bloße Vermutungen hinausgeht.

 

Quelle:

https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1089025

 

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Keine rasante Vermehrung: Neue Wolfszahlen für Sachsen entlarven alte Probleme

Das Lupus-Institut glaubt an eine hohe Dynamik unter Sachsens Wolfsrudeln, wie heute in einer aktuellen Pressemitteilung des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie bekannt wird. Wolfsschutz-Deutschland e. V. zweifelt allerdings daran, dass bestimmte Wolfsrudel durch hohen Konkurrenzdruck verschwunden sind. Vielmehr sehen wir einen enorm hohen Jagddruck sowie die ASP-Wildschweinzäune an der Grenze zu Polen als Ursache für das Verschwinden des Neusorge- und des Biehain- sowie des Weißwasser-Rudels.

Neue Territorien nur östlich der Elbe

Im abgeschlossenen Monitoringjahr 2020/2021 konnten in Sachsen 34 Territorien nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um 29 Rudel, drei Paare und zwei territoriale Einzeltiere. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 29 Territorien (28 Rudel und ein Paar).
Die Wolfsterritorien konzentrieren sich auf die bisher bekannten Gebiete. Während das Geschehen in Nordsachsen zu stagnieren scheint, lassen die Daten in Ostsachsen eine hohe Dynamik erkennen. Alle neuen sächsischen Territorien liegen östlich der Elbe. Hier sind im Laufe des letzten Jahres sowohl neue Territorien entstanden als auch bestehende wieder verschwunden, was auf einen hohen Konkurrenzdruck unter den Wölfen hinweisen würde, so das Lupus Institut.
Verteilung der Wolfsrudel in Sachsen. ©Lupus Institut.
Hinzugekommen sind die Rudel Halbendorf und Weißwasser. Auch in der Gohrischheide konnte ein Rudel nachgewiesen werden, nachdem der Status im Monitoringjahr 2019/2020 unklar war. Zudem konnte das Wolfspaar Hammerstadt sowie jeweils ein Einzeltier in den Territorien Niesky II und Sagar nachgewiesen werden. Es wird vermutet, dass es sich bei den Einzeltieren in den Territorien Niesky II und Sagar um Rudel handeln könnte. Die Datenlage reichte jedoch bisher nur aus, um Einzeltiere zu bestätigen.
Die neuen Territorien liegen teilweise in Gebieten, die zuvor von anderen Wölfen besetzt waren. So konnten die beiden Rudel Neusorge und Biehain/Niesky im Monitoringjahr 2020/2021 nicht mehr nachgewiesen werden. Auch das Vorkommen Elstra und das vor Kurzem neu nachgewiesene Rudel Weißwasser waren zum Ende des Monitoringjahres 2020/2021 bereits erloschen. Dieser rasche Wechsel verdeutliche, dass die Territorien in der Lausitz unter den Wölfen hart umkämpft wären, heisst es in der Pressemitteilungen weiter.
Bilder aus unseren Forschungskameras Ostsachsen.

Wir freuen uns über neue Vereinsmitglieder in Sachsen

Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. sehen andere Ursachen für das Verschwinden von Wolfsrudeln nahe an der polnischen Grenze. Wir haben in diesen Gebieten ebenfalls Forschungswildkameras untergebracht, da wir daran forschen, welche Beutetiere und welche anderen kleinen Beutegreifer, wie z. B. Fuchs und Goldschakal ebenfalls im Wolfsrevier leben. Mit unserer Langzeitstudie wollen wir nachweisen, dass Wölfe im Gegensatz zur Behauptung vieler Jäger, eben keineswegs ihr Revier leerfressen. Bisherige Ergebnisse bestätigen, dass sowohl die Beute, wie Rothirsch oder Wildschein, als auch andere kleinere Beutegreifer sehr entspannt mit Wölfen „Tür an Tür“ leben. Nach unseren Beobachtungen sind es vor allem praktisch wöchentlich stattfindende Treibjagden auf Wildschweine, die auch die Wölfe in den Gebieten Ostsachsen erheblich stören. Als Begründung dieser Treibjagden wird die Vorbeugung der Schweinepest angegeben. Wir befürchten allerdings, dass bei diesen Treibjagden nicht nur auf Wildschweine geschossen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schonzeit des Rotwilds aufgehoben wurde und gerade in der Region Neusorge und Bihain intensivst  gejagt wird. Wir beobachten dies sogar in einem so genannten Prozeßschutzgebiet, in dem normalerweise gar nicht gejagt werden dürfte.
Bilder aus unseren Forschungskameras Ostsachsen.
Wir suchen dringend naturbegeisterte Menschen, die uns in Sachsen, Schwerpunktmäßig gerade auch in Ostsachsen unterstützen möchten. Wir sichern Anonymität zu. Hier unsere Hotline: 0176 48732612. Mitgliedsanträge gibt es hier: https://wolfsschutz-deutschland.de/mitglied-werden/

Zwei Wolfsmütter pro Rudel bleiben eine Ausnahme

In den Rudeln Nochten, Neustadt/Spremberg, Knappenrode/Seenland und Dauban wurden Doppelreproduktionen nachgewiesen, die das Lupus Institut ebenfalls als Folge des Konkurrenzdrucks deutet. Bei einer Doppelreproduktion sind zwei Wolfsfähen des Rudels gleichzeitig trächtig, sodass sich die Zahl des Nachwuchses im Rudel zusätzlich erhöht. Normalerweise bekommen nur die Elterntiere eines Rudels ein mal im Jahr Nachwuchs.
Eine andere Entwicklung beobachtet das Lupus Institut westlich der Elbe. In Nordsachsen sind keine neuen Rudel nachgewiesen worden. Die drei bereits bekannten Rudel Delitzsch, Authausener Wald und Dahlener Heide konnten erneut bestätigt werden. Im nördlich von Leipzig gelegenen Delitzscher Rudel hat sich die Wolfsfähe mit ihrem Sohn gepaart, was auf das Fehlen eines geeigneten Partners hindeutet und damit auf die fehlende Zuwanderung neuer Tiere. Wir von Wolfsschutz-Deutschland sehen dies ebenfalls als Indiz dafür an, dass Wölfe dort heimlich beseitigt werden.
Das Lupus-Institut hat weiter herausgefunden: Auf dem Erzgebirgskamm gibt es drei grenzübergreifende Wolfsterritorien, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite bei Prebuz, Výsluni und Fláje haben. Das im Monitoringjahr 2019/2020 südlich von Marienberg mit dem Status »unklar« beschriebene Gebiet wird im Monitoringjahr 2020/2021 für Sachsen nicht mehr aufgeführt, da Wolfshinweise aus diesem Gebiet dem tschechischen Rudel Výsluní zuzuordnen sind. In der Böhmischen Schweiz sowie dem Lausitzer Gebirge befinden sich ebenfalls zwei grenzüberschreitende Rudel, bei Luzické hory východ und Luzické hory zapad, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite haben.
Auch im Raum Moritzburg und im Nationalpark Sächsische Schweiz wurden Wölfe durch das Lupus Institut nachgewiesen. Es konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob es sich dabei um eigenständige Vorkommen handelt oder ob diese Gebiete von benachbarten Rudeln mitgenutzt werden. Der Status blieb in diesen Gebieten daher unklar.
Insgesamt konnten im Monitoringjahr 2020/2021 87 Welpen in Sachsen nachgewiesen werden, davon sechs westlich und 81 östlich der Elbe. In den grenzübergreifenden Rudeln wurden die Welpen alle auf tschechischer Seite nachgewiesen und werden dort mitgezählt.
Tot aufgefunden wurden in Sachsen 23 Wölfe: 14 Wölfe sind bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, bei sieben Fällen handelte es sich um natürliche Todesursachen, bei einem Fall um eine illegale Tötung, bei einem weiteren Fall bleibt die Todesursache unklar. Der Schwerpunkt der Totfunde liegt in den Gebieten mit hohen Wolfsvorkommen in Ostsachsen.
Von einer rasant steigenden Entwicklung der Wolfspopulation, wie es Jäger, Weidetierhalter und Wolfsgegner immer wieder behaupten, kann also auch in diesem Jahr überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil sehen wir klare Indizien dafür, dass Wölfe heimlich beseitigt werden. Die Täter scheinen wenig Furch vor einer Aufdeckung zu haben, obwohl illegale Abschüsse schwere kriminelle Taten darstellen und mit Gefängnis von bis zu fünf Jahren bestraft werden können.