Schießwütiges Wahlkampfgetöse und Stellvertreterkrieg gegen wehrlose Beutegreifer
Nur kurz nach unserer Plakataktion „Nur „0“ Wolfsabschuss motiviert zum Herdenschutz“ am 26. Mai vor dem Umweltministerium und dem Landtag in Hannover, sollte schon nächste Wolf in Niedersachsen im Landkreis Stade erschossen werden. Ein Gericht stoppte sie Verfügung aber schon wieder. Wolfsschutz-Deutschland e. V. kündigt Strafanzeigen an. Außerdem waren wir in vier Wolfsgebieten westlich von Hannover vor Ort. Lesen Sie hier unsere Fotoreportage mit Daten, Analysen und Blicke in vier Wolfsgebiete in Niedersachsen.
Der Landkreis Stade hat am vergangenen Donnerstag eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss eines Wolfes veröffentlicht. Er begrüße diesen Schritt des Landkreises Stade sehr, ließ Umweltminister Christian Meyer (Grüne) am gleichen Tag in einer Pressemitteilung verkünden. Wenn ein Wolf wiederholt Nutztiere reiße und sich Menschen auffällig nähere, habe das auch Folgen für den Hochwasser- und Küstenschutz, so Meyer. Sein Ministerium wolle den Abschuss daher unterstützen. Dabei geht es nicht um den Schutz an der Meeresküste, sondern an der Elbe.
Die vom Abschuss gefährdete Jungwölfin GW 4032f weist einen selteneren Haloptyp, nämlich HW02 auf. Dieser ist für die genetische Vielfalt bei der Verbreitung des Wolfs wichtig. Bei den zwei Übergriffen, die ihr vorgeworfen werden, war kein Herdenschutz vorhanden. Ist also der erneute Ausstellung einer Schießgenehmigung nichts anderes als Wahlkampfgetöse vor der Europawahl? Dies ist gut möglich, denn Meyer scheint selbst am Erfolg der Verfügung zu zweifeln. Zitat: „Ich habe immer gesagt: Der Hochwasser- und Küstenschutz durch Schafe am Deich hat für mich höchste Priorität. Die Landkreise sind als Untere Naturschutzbehörde nach dem Bundesnaturschutzgesetz die zuständige Behörde für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zur Wolfsentnahme. Das Beispiel Stade und letztes Jahr die Region Hannover zeigen: Die Landkreise können selbst gegen Problemwölfe vorgehen, die Schäden verursachen – wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Gleichwohl hat mein Haus auf seinen Wunsch hin den Landkreis Stade entsprechend fachlich unterstützt und auch die Nichtgefährdung der wachsenden Wolfspopulation durch die geplante Einzelentnahme festgestellt. Jetzt bleibt abzuwarten, wie die Gerichte auf mögliche Klagen reagieren.“ So klingt jemand, der selbst nicht von der Rechtmäßigkeit überzeugt ist. Zudem darf spekuliert werden, ob Meyer die Verantwortung für Wolfsabschussverfahren für die er und auch seine Partei, die Grünen, stark in Kritik standen, nun auf die Landkreise abwälzen will.
Derweil glauben nicht einmal die Bauern daran, dass der Abschuss des Jungtieres einen Sinn haben könnte. Sie fordern gleich den Abschuss der Wolfsrudel dort und in der Cuxlandregion, was auch traurige Tradition hat. Vor ein paar Jahren wurden das gesamte Cuxlandrudel illegal ausgelöscht.
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte vor kurzem eine Schnellabschussgenehmigung in der Region Hannover für einen Wolf aus dem Rehburg-Loccum Rudel mit der Begründung gekippt, dass die Naturschutzverbände vor Erteilung der Abschussgenehmigung beteiligt werden müssen. Eine Woche vor Genehmigung war zu kurz, als dass klagefähige Vereine reagieren konnten. Hier sind ganz offensichtlich erneut die Naturschutzverbände nicht beteiligt worden.
Zitat aus einer Pressemitteilung des Umweltministeriums zum Gerichtsurteil zum Fall Rehburg-Loccum:
„Das OVG hat jedoch im konkreten Einzelfall in der Region Hannover die Abschussgenehmigung formal und materiell kritisiert. So können keine pauschale Festlegung von Gebieten mit erhöhtem Rissaufkommen erfolgen, sondern es müsse im Einzelfall begründet werden, dass es zu erheblichen Schäden für die Landwirtschaft komme. Auch die Summe der fünf Rinderrisse sei möglicherweise für eine Schadensprognose für die Zukunft zu gering. Auch müsse der vorhandene Herdenschutz bei Rindern und Pferden als milderes Mittel zum Abschuss näher geprüft werden. Damit weicht das OVG explizit von seiner bisherigen Auffassung ab, dass Rinder und Pferde im Regelfall bereits ausreichend geschützt sind. Die Hürden für Abschüsse im Einzelfall werden durch das OVG-Urteil also deutlich höher und schwieriger. In Zukunft ist bei jeder Abschussgenehmigung nach dem alten und nach dem neuen Verfahren die Begründung für Herdenschutzüberwindungen und das Verursachen von hohen finanziellen Schäden deutlich gewachsen. Zwar sind Schnellabschüsse grundsätzlich möglich, aber sie müssen in jedem Einzelfall ausführlich begründet werden. Wie dies in der kurzen Zeit zwischen Riss und Abschussverfahren erfolgen soll, bleibt schwierig.“
Nun kann gegen den neuen Abschussbescheid ausnahmegenehmigung_landkreisstade einen Monat lang Einspruch eingelegt werden. Allerdings soll die Genehmigung am 7. Juni in Kraft treten, was den Umweltverbänden erneut zu wenig Zeit einräumt.
Abschuss vorerst gestoppt
UPDATE – 08.06.24 – Tatsächlich hat das Verwaltunggericht Stade den Vollzug der Schießgenehmigung gestoppt vorläufig gestoppt, bevor sie in Kraft treten konnte: https://nachrichten.ag/deutschland/niedersachsen/stade/verwaltungsgericht-stade-verschiebt-wolf-abschussgenehmigung/
Wolfsschutz-Deutschland e. V. kündigt Strafanzeigen an
Sollte die Wölfin GW 4032f oder ein anderer Wolf abgeschossen werden, erstatten wir Strafanzeige gegen Entscheider und Ausführende.
Dass Abschüsse nicht die Lösung sein können, wurde auch in einem Vortrag des Wolfsexperten Dr. Carsten Nowak anfang des Jahres 2024 deutlich. So sagte Nowak, dass sowieso noch nie der „richtige“ Wolf erschossen worden wäre. Wir berichteten hier: https://wolfsschutz-deutschland.de/2024/02/11/wolfsexperte-sagt-in-deutschland-ist-noch-nie-der-richtige-wolf-entnommen-worden/
Zaundokumentation
Ausriss aus der Rissliste
Nutztierschäden im ersten Quartal 2024
Insgesamt wurden im I. Quartal 2024 laut Jägerschaft 59 Übergriffe auf Nutztiere im Rahmen des Monitorings dokumentiert. Es wurden insgesamt 177 Tiere getötet, 83 verletzt und 33 gelten als verschollen. Die Anzahl der gemeldeten Übergriffe ist im Vergleich zum letzten Quartal (IV. Quartal 2023, 77 Fälle) um 23,38 % gesunken und im Vergleich zum I. Quartal im Vorjahr (I. Quartal 2023, 89 Fälle) um 33,71 % gesunken. Bei 48 Fällen wurde der Wolf als Verursacher amtlich bestätigt, in 7 Fällen konnte der Wolf als Verursacher ausgeschlossen werden. In 4 Fällen war eine sichere Feststellung des Verursachers nicht möglich. Der nachweislich vom Wolf verursachte Schaden beträgt 153 getötete, 81 verletzte und 23 verschollene Nutztiere. Die meisten Übergriffe (n=54) hat es auf Schafe gegeben, davon konnten 45 Übergriffe dem Wolf als Verursacher zugeschrieben werden. Am zweitstärksten waren Rinder betroffen, hierbei kam es zu 4 Übergriffen, von denen 2 auf den Wolf als Verursacher zurückzuführen waren. Bei Pferden kam es zu einem Übergriff, dieser konnte dem Wolf als Verursacher zugeschrieben werden. Andere Nutztierarten seien in diesem Quartal nicht betroffen gewesen, heißt es von der Jägerschaft.
Laut Rissliste war nur bei acht Fällen ein Schutz für die Weidetiere vorhanden. Bei 16 Fällen waren die Zäune beeinträchtigt und in 44 Fällen gab es gar keinen Schutz.
Jagd im Naturschutzgebiet
Was viele Menschen gar nicht wissen: Jagd und Landwirtschaft sind in Naturschutzgebieten fast komplett erlaubt. Dies ist nur in Deutschland noch immer Praxis, denn überall in Europa ist Jagd in Naturschutzgebieten verboten. Sogar mit ihren Jagdhunden dürfen Jäger die Flächen betreten, wenn sie zu ihrem Jagdrevier gehören, während normale Bürger ausgesperrt werden und auf den Hauptwegen bleiben müssen. So ist es normalen Spaziergängern auch kaum möglich, überhaupt Jagdfrevel zu entdecken.
In Niedersachsen haben die Jäger auch noch die Überwachung der Wolfspopulation inne. Gerade in Naturschutzgebieten kann ihnen kaum jemand auf die Finger schauen. In Niedersachsen gibt es immer wieder illegale Tötungen.
Das Wolfsmonitoring in Jägerhand
Wir fordern in unserer Petition, den Hobbyägern in Niedersachsen das Wolfsmonitoring zu entziehen: http://www.change.org/wolfsmonitoring
Diejenigen, die sich im besten Wissen und Gewissen am offiziellen Wolfsmonitoring beteiligen und Jägern und/oder den Behörden Daten über deren Aufenthalt liefern, müssen sich auch daher bewusst sein, dass die Daten auch nach Abschussverfügungen herangezogen werden, um Wölfe zu töten. Hier ein O-Ton aus einem Bericht aus „Butenundbinnen“.
Zitat: „Den Job des ehrenamtlichen Wolfsberaters macht Kuball mit Leidenschaft. Er wertet Kameras aus, um die Bilder später der Jägerschaft und dem Land Niedersachsen zu übermitteln. Ziel ist, per Wolfsmonitoring Routen und Anzahl der Wölfe in der Region festzustellen. Welche Rückschlüsse aus dem Material gezogen werden, und was das für eine mögliche Jagd auf das geschützte Tier bedeuten könnte, liegt bei den zuständigen Behörden.“ https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/wolf-wolfsberater-landkreis-cuxhaven-100.html?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR1vYk2xccqbOOLxp-hNMsz1J4MpQy-d1y7nIL8AbmdEWx7LNIQMaVif9W0_aem_AaNnYBtYlB9SoiNIs8Q8OtkI6p0dgLxozj8Pl_nbRa3Vere5hiBWDuIejMJ0vEQSCNHyGiPV4R8vDFF2tPIoOKTP
Wolfsberater Kuball, der auch Jäger ist, kann sich im Bericht nicht erklären, warum Jungwölfe in Wohngebieten auftauchen. Er vermutet, dass die Rudel durch zu viele Spaziergänger und Touristen gestört werden. Wir vermuten eher, dass sich die Jäger von zu vielen zuschauenden Spaziergängern und Touristen gestört fühlen. Konnte Herr Kuball nicht wissen, dass Jungwölfe im Alter von zirka zwei Jahren aus ihren Familien abwandern und da sie weder Navigationsgerät noch Landkarten dabei haben, sich auch in Städte und Dörfer verirren können?
Noch einen drauf setzte LJB-Präsident Henke in einem Bericht des Weser Kuriers. Er mache keinen Hehl daraus, dass er Wolfssichtungen in Stadtgebieten mit unguten Gefühlen entgegensehe. Aktuell wisse man von fünf bis sechs Rudeln im Umkreis von Bremen und es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich auch in der Stadt Wolfsrudel bilden würden, so Henke. „Und wenn es zu viele werden, haben wir ein Problem“, mahnt er. „Das Jagdverhalten ist dann ein ganz anderes, und das ist kein Spaß mehr.“ Der Wolf sei ein wehrhaftes Wildtier. Wir sollten uns nichts vormachen: Irgendwann wird etwas passieren.“ Für ihn sei daher ganz klar: „Wir brauchen neue Regelungen für ein Bestandsmanagement. Sonst holt uns das irgendwann ein.“
Ergebnisse des Wolfsmonitorings für das erste Quartal 2024
Meinungsmanipulation und Propaganda
Hier wird mit allen Mitteln der Meinungsmanipulation und Propaganda versucht, den Menschen Angst vor dem Wildtier Wolf zu machen, währenddessen von den tatsächlichen Problemen abgelenkt wird. Ganz vorne mit dabei auch die Lokal- und Massenmedien, die auch immer wieder auf Urängste anspielen, in dem sie auf Kindergärten oder Schulen hinweisen, die angeblich in der Nähe seien. Fakt ist, dass seit Rückkehr der Wölfe nach Deutschland nie ein Mensch angegriffen worden ist, während andere Wildtiere, wie Wildschweine oder auch Hunde, regelmäßig Verletzungen verursachen. Auch durch die Hobbyjäger kommen jährlich Menschen um oder werden schwer verletzt.
Das gefährlichste Lebewesen für den Menschen ist noch immer der Mensch selbst. Wir berichteten hier: https://wolfsschutz-deutschland.de/2024/02/25/wir-stellen-vor-das-fuer-menschen-gefaehrlichste-lebewesen/
Hier Einblicke in die Gebiete Rehburg-Loccum, Rodewald, Schwarmstedt und Wedemark
Im Territorium Rehburg-Loccum hatte es eine Schnellabschussverfügung gegeben, die jedoch von Gerichten kassiert worden ist. Das Rudel ist bestätigt, jedoch keine Welpen. Das ursprüngliche Rodewaldpaar gibt es nicht mehr. Roddy und seine Fähe „verschwanden“. Wir nehmen an, dass sie illegal getötet worden sind. Jahrelang wurde hier um einen Abschuss des Vaterwolfs gestritten, den Umweltminister Lies (SPD) damals erlassen hatte. Wir waren sehr oft vor Ort, um den Abschuss zu verhindern. Nun lebt dort im Rodewaldgebiet ein neues Rudel, bei dem drei Welpen bestätigt worden sind. Auch das Rudel Schwarmstedt ist mit drei Welpen bestätigt und Wedmark mit sechs Welpen.
Hier ein Blick aus einer unserer Wildkameras in eines der Wolfsgebiete, westlich von Hannover.
Vor Ort, damit sich unsere Leserinnen und Leser ein Bild machen können
Hetzer und Anstifter
Der Stellvertreterkrieg und die damit verbundene Propagandamaschinerie dient auch wunderbar dazu, Bauern und Weidetierhalter davon abzuhalten, sich mit den echten Problemen von Tierhaltung und Landwirtschaft auseinander zu setzen.
Jammern Bauern auf zu hohem Niveau?
Fakt ist, dass die Bauern überdurchschnittlich gut verdient haben. Während Familien in Deutschland von der heftigen Inflation gebeutelt werden, verdienten Landwirtschaftsunternehmen in 20/21 im Schnitt 32 Prozent mehr als in den Vorjahren. Im Wirtschaftsjahr 2022/2023 stieg der durchschnittliche Gewinn demnach auf 113.900 Euro und damit um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert.
Immer wieder wird als Argument für das Totschießen von Wölfen hergenommen, dass die vielen Risse die Weidetierhaltung gefährden würden. Fakt ist es aber, dass viel mehr Weidetiere durch Krankheiten oder Vernachlässigung sterben, bevor sie im Schlachthaus enden. Weidetierhaltung, gerade in Niedersachsen, muss regelrecht gesucht werden. Gerade hier fristen viele so genannte Nutztiere ihr Leben im Stall. Kälber werden ihren Müttern schon kurz nach der Geburt weggenommen, nutzlose Bullenkälber wandern nicht selten direkt auf den Misthaufen zur Entsorgung.
Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der AfD machen Wolfsabschüsse für mehr Weidetierschutz keinen Sinn, da sie keine Kosten senken. Zudem seien bei bis zu drei Vierteln der Fälle von Übergriffen keine ordentlichen Schutzmaßnahmen vorhanden gewesen. Diese Antwort wirft auch ein Schlaglicht auf die neuen Schnellabschuss-Regeln von Bundesumweltministerin Steffi Lembke. Wir berichteten hier: https://wolfsschutz-deutschland.de/2024/05/05/jetzt-auch-offiziell-wolfsbejagung-basiert-auf-keiner-wissenschaftlichen-grundlage/
Hier unsere Petition gegen die Schnellabschüsse: http://www.innn.it|wolf
Massiver Landaufkauf von Konzernen und Vermögensverwaltungen müssten den Bauern in Deutschland eigentlich echte Sorgen bereiten. Wer aber seine Zeit hauptsächlich damit verbringt, sich in Hass auf einen Beutegreifer zur verlieren, der kann sich nur schwer mit den kommenden Herausforderungen in der Landwirtschaft befassen. So soll die Mehrwertsteuer auf Fleisch angehoben werden. Die Markteinführung von Laborfleisch im großen Stil steht kurz bevor. Die kleinen und mittleren Betriebe mit wenig Fläche werden die ersten Opfer dieser Marktänderungen sein. Sie sind es, die auch Weidetierhaltung betreiben. Für Großkonzerne stehen stattdessen gute Verdienstmöglichkeiten in Aussicht. In Emmerthal sollen mehr als 50 Hektar Ackerfläche für Batteriespeicher und Solarpark weichen. Diese Aussichten könnten auch Börsenspekulanten auf den Plan rufen. Schon wird gemutmaßt, dass Landwirte die nächsten „Ölscheichs“ werden könnten. Es sind aber nicht die mittelständischen Bauern, die das meiste Land besitzen.
Quellen:
https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/pi044-ovg-231925.html
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