Keine Gerechtigkeit für Wölfe im RTL-Format Justice

Anfang des Jahres erhielten wir die Anfrage eines Journalisten sowie Produzenten von Beiträgen für das RTL-Format Justice. Dass das Format unter Boulevard fällt, schreckte zunächst nicht ab, denn Boulevard heißt nicht unbedingt, dass die Beiträge nicht seriös erstellt werden. Dass es ein etwas krawalliges Format ist, war allerdings von Anfang an klar. Mir war auch bewusst, dass der Beitrag höchstwahrscheinlich tendenziös werden würde. Dennoch entschlossen wir uns von Wolfsschutz-Deutschland e. V., das Angebot anzunehmen. Der Dreh umfasste zirka zwei Stunden, in denen ich mich wirklich ausführlich äußern konnte. Freilich bemerkte ich, dass versucht wurde, mich dahingehend zu lenken, dass ich einräumen würde, dass Wolfsabschüsse auch für uns unter bestimmten Bedingungen in Ordnung wären. Was wäre, wenn ein Wolf einmal zubeißen würde? Sie ahnen es wahrscheinlich schon. Es lief etwas aus dem Ruder.

Lets talk about „beißen“

Wenn ein Interview, das ursprünglich fast zwei Stunden dauerte, auf nicht einmal zwei Minuten zusammen geschnitten wird, ist es wohl logisch, dass hier kaum noch Kontext vorhanden ist. In diesem Fall ist meine Einschätzung, dass der Schnitt auch so gewollt und kein Versehen war.

In den vergangenen 20 Jahren gab es keinen  einzigen Angriff eines frei lebenden Wolfs in Deutschland auf Menschen. Gerade um die Hysterie aus der Debatte zu nehmen, halte ich es für wichtig, darüber zu reden, dass es natürlich auch mal passieren kann, dass ein Wolf beißt. Beispielsweise wenn er bedrängt wird oder krank ist. Bislang scheint jede Diskussionen, ja jeder Gedanke darüber, geradezu verboten zu sein. Wer ihn äußert wird von beiden Seiten moralisch angegangen. Dabei ist es doch wichtig, darüber zu reden, um irrationale Angst beseitigen zu können. Wir Menschen stehen einfach nicht auf dem Speiseplan von Wölfen. Menschen, die in Ländern wohnen, in denen der Wolf nie ausgerottet worden war, sehen die emotional geführten Diskussionen in Deutschland teilweise belustigt und teilweise schockiert.

 

Sehr schade fand ich allerdings, dass mein O-Ton “ Wenn einmal ein Wolf einen Menschen verletzt, dann ist das halt so“ zum Thema beißen durch Wölfe so verkürzt dargestellt worden ist. Durch den nicht mehr vorhandenen Kontext wirkt meine Aussage so, dass mir Verletzungen von Menschen egal wären. Aber wahrscheinlich war das ja so beabsichtigt? Hier der Teaser zur Sendung.

Meine Erklärung dazu, das nämlich jedes Jahr Menschen durch Hunde, andere Wildtiere und sogar Kühe schwer verletzt und sogar getötet werden und dass dies nicht auch nur ansatzweise einen solchen Hass und eine solche Panik verursacht, wie die Möglichkeit, dass auch mal ein Wolf zubeißen könnte und dass es im Leben keine 100-%-ige Sicherheit geben kann, wurde weg geschnitten. Durch die verkürzte Darstellung wirkt die Antwort natürlich negativer als im eigentlichen Kontext. Schade auch, dass ich nicht direkt mit den Vorhaltungen von Herrn Opriel konfrontiert haben, denn ich hätte ja direkt darauf antworten können.

Richtigstellung

Schäfer Opriel behauptet in dem Beitrag, Wolfsschutz-Deutschland e. V. hätte irgendeinen Menschen geschickt, um bei ihm und mit ihm zusammen (Opriel) eine Zaunkontrolle zu tätigen. Dies ist falsch. Ebenso falsch ist es, dass Herr Opriel uns angesprochen haben wollte und uns um Hilfe gebeten haben wollte. Tatsächlich „schicken“ wir nicht irgend jemanden. Wir machen die Zaunkontrollen selbst. Bei allen Kontrollen von uns bei Opriels Zäunen war er selbst nicht anwesend. Wir leisten tatsächlich Hilfe, lassen uns aber unterschreiben, dass nach der Hilfe nicht gegen Wölfe gehetzt wird. Zudem haben wir Herrn Opriel niemals in irgend einer Weise bedroht.

Hier die Eindrücke vom Drehtag Anfang des Jahres.

German Angst?

German Angst“ ist ein international geläufiger Begriff, der deutsche Bedenken und Vorsicht in Sicherheits- und Umweltfragen bezeichnet. Angeblich ist er geprägt durch die Erfahrungen der Menschen in der NS-Zeit. Noch heute sind wir Deutschen dafür bekannt, dass wir nach einer größtmöglichen Sicherheit streben. Ob es die German Angst ist, die auch ihre Stilblüten in Punkto Wolf treibt, ist unklar. Fakt ist aber auch, dass Generationen von Deutschen Kindern mit dem Märchen Rotkäppchen aufgewachsen sind. Eine Urangst scheint hier entfacht zu sein, der mit Argumenten und Fakten kaum beizukommen ist. Diese Angst betrifft nicht nur die Wolfsgegner, sondern anscheinend auch so genannte TierschützerInnen. Denn für mich es es kaum erklärbar, wie die Vorsitzende der Tierschutzpartei Niedersachsen, eine derartige Falschbehauptung in die Welt setzen konnte.

Falschbehauptung und Verleumdung

Die Vorsitzende der Tierschutzpartei Niedersachsen hat meine Aussage über eine Verletzung durch einen Wolf durch das „Töten durch einen Wolf“ in einem Beitrag ersetzt und in Ihrem Profil geteilt. Dieser Beitrag ging durch Screenshots bei den
Wolfshassern viral und ich erhielt anonyme Anrufe, Drohungen und Hassnachrichten. Erst nach fast drei Tagen ersetzte sie „Töten“ einfach durch „verletzen“.

Fast drei Tage lang befand sich die Falschanschuldigung noch öffentlich auf Ihrem FB-Profil. Wir haben diesen Fall an unseren Anwalt zur Prüfung übergeben und werden ggf. Strafanzeige erstatten. Wolfsschutz-Deutschland e. V. erwartet zudem eine offizielle Stellungnahme sowie eine Richtigstellung dem Profil der Politikerin und auch auf der Seite der Tierschutzpartei. Anscheinend hat sich die Frau auch keinerlei Gedanken über die Folgen Ihrer Handlungen gemacht. Auf Seite der Wolfshasser ging ihre Verleumdung durch Screenshots viral. Die Folge für mich: Hasskommentare, Hassnachrichten, anonyme Anrufe und Drohungen.  Des weiteren blockierte sie mich, so dass ich auf Ihr Cybermobbing nicht mehr reagieren konnte.

Auf eine Anfrage, in welchen Fällen die Tierschutzpartei Niedersachsen einem Wolfsabschuss zustimmt, erhielten wir keine Antwort.

Kollektive Zwangsneurose?

Sollen nun, vorsorglich alle Wölfe wieder ausgerottet werden, nur weil es im Rahmen der Möglichkeiten liegt, dass auch einmal ein Wolf einen Menschen beißen könnte? Nach dieser Logik müssten auch alle Hunde abgeschafft werden, denn hier gibt es nicht nur Fälle in der Theorie sondern, es geschehen jährlich schwere Vorfälle mit Hunden, die zubeißen. Auch alle Bäume im Wald müssten abgesägt werden, die auch schon Menschen durch herabfallende Äste erschlagen wurden. Ganz zu schweigen von beißenden Wildschweinen, Füchsen und sogar Wildkaninchen. Vielleicht macht dieser Vergleich die Hysterie noch einmal deutlich mit der Diskussionen um die Wölfe in Deutschland geführt werden.

Im TV Beitrag von RTL-Justice sagt eine Pferdehalterin, dass sie den ganzen Tag an nichts mehr anderes als die Gefahr durch Wölfe denken könne. Dabei ist in Wirklichkeit die Gefahr für Pferde, durch einen Pferderipper verletzt zu werden, oder gar ums Leben zu kommen, um ein vielfaches höher als durch einen Wolfsangriff.

Tatsächlich gibt es zur Zeit schon wieder einen aktuellen Fall, in dem eine Kuh einen Bauern nicht gebissen, sondern getötet hat: https://www.br.de/nachrichten/bayern/utting-kalbende-kuh-toetet-landwirt,T0idMC4?fbclid=IwAR1VeY26ZE7szOgwsYJr73amTtRSaqFaBl7AUr2a73jPamhpoi0mCiwP6xs

Sollen nun alle Kühe erschossen werden, um eine statistische Gefahr zu mindern? Wie gesagt, ein Wolf hat keinen Menschen getötet, seit der Rückkehr nach Deutschland.

Radikalisierung wird ignoriert

Zumal Pferde durch Zäune und in abseits gelegenen Wolfsgebieten nachts im Stall untergestellt werden können. Großpferde haben zudem kaum etwas von Wölfen zu befürchten. Eine andere Halterin gibt im Beitrag sogar offen zu, dass die mit einer Waffe ausgestattet Patrouille fahren würde. Im Hinblick auf die Vorfälle in Kusel macht mich diese Aussage betroffen. Noch betroffener macht es mich, dass dieses Verhalten in den sozialen Netzwerken überhaupt nicht kritisiert zu werden scheint. Es ist ja kaum zu verleugnen, dass hier sich ein Mob immer weiter radikalisiert. Wann wird es die ersten verletzten oder gar toten Spaziergänger im Wolfsgebiet Wesel geben?

Auch ich bin im Einsatz für Wolfsschutz-Deutschland e. V. schon bedroht worden. Beide Fälle geschahen in Niedersachen. Einmal hätte mich ein Autofahrer auf einem Waldweg fast überfahren. Dieser Fall wurde im Beitrag gebracht. Ein anderes Mal versuche mich ein Schäferehepaar in Niedersachsen von der Straße zu drängen. Der Fall ist öffentlich bekannt, wurde aber aus der Sendung heraus geschnitten.

Allerdings ist es auch klar, dass es sich bei solche WeidetierhalterInnen um absolute Ausnahmefälle handelt. Die meisten PferdehalterInnen fühlen sich durch diese Radikalität selber belästigt und teilweise sogar eingeschüchtert, wie uns in Nachrichten immer wieder bestätigt wird. Es wird wohl immer deutlicher, dass hier eine sich immer weiter radikalisierende Minderheit die Mehrheit terrorisiert. So auch an den weiteren Aussagen im Filmbeitrag zu erkennen.

Fazit

Leider wurde hier die Chance verpasst, eine einigermaßen ausgewogene Sendung zu produzieren. Die Haltung des Produzenten ist deutlich erkennbar, die Gerichtsurteile gegen die Abschussklage des Schäfers Opriel sowie deren Begründung waren gar kein Thema. Dazu der schlechte Schnitt. Die Sendung „Justice“ wurde ihrem Titel dahingehend also auch nicht gerecht. Stattdessen erneut viel Gejammere, Hetze und Panik. Schade.

Brigitte Sommer

Vorsitzende Wolfsschutz-Deutschland e. V.

 

Hier noch der Link zum Stream der kompletten Sendung: https://www.tvnow.de/shows/justice-die-justizreportage-16358/2022-04/episode-3-woelfe-in-deutschland-der-streit-um-die-raubtiere-4785106?fbclid=IwAR0jw3Fg3ft4dLxlRB1A50krATLRwwQX3ts-FbfcNJugiLO2S1n9UPy9o0M