EU-Stopp für Schwedens Wolfsplan: Hoffnung oder reines Politiktheater?

Der kürzlich veröffentlichte Artikel des Österreichischen Naturschutzbundes ANCA – „EU-Kommission stoppt Schwedens Wolfsplan – Warum 170 Tiere nicht reichen“ – hat in Naturschutzkreisen berechtigte Aufmerksamkeit erregt. Die EU-Kommission hat den schwedischen Art-17-Bericht zum Wolf zurückgewiesen, weil Schweden eine „favourable reference population“ (FRP) von nur 170 Tieren festgelegt hat – eine Zahl, die als politisch motiviert und wissenschaftlich unhaltbar kritisiert wird. Wir von Wolfsschutz Deutschland e.V. begrüßen diesen Schritt zunächst als positives Signal. Doch bei genauerer Betrachtung müssen wir warnen: Ist das ein echter Durchbruch für den Wolfschutz oder nur ein weiteres Stück im großen Politiktheater, das uns mit falscher Hoffnung betäubt? Lassen Sie uns die Realität betrachten, bevor wir jubeln – und daraus lernen, wie wir in Deutschland handeln müssen.

Der Schweden-Fall: Ablehnung mit Auflagen, kein echter Stopp

Laut ANCA hat die EU-Kommission den Bericht abgelehnt, weil der FRP-Wert nicht mit dem „„minimum viable population““ (MVP, ca. 170 Tiere) identisch sein darf. Der günstige Erhaltungszustand muss höher liegen, um Puffer gegen Inzucht, Klimawandel und Habitatverlust zu bieten – Experten empfehlen 300–400 Tiere. Schweden hat zudem weite Teile des natürlichen Verbreitungsgebiets aus der Referenzreichweite herausgerechnet, was gegen fachliche Vorgaben verstößt. Die skandinavische Wolfspopulation ist genetisch schwer belastet: Sie stammt von wenigen Gründertieren ab, hat in fünf Generationen 10–25 % genetische Variation verloren und trägt bis zu 100.000 schädliche Mutationen pro Individuum. Studien wie die von Smeds et al. (2022) und Villemala (2013) unterstreichen diese Vulnerabilität. Ohne Zuwanderung droht Inzuchtdepression – ein Risiko, das Schwedens politischer Wert von 170 Tieren ignoriert. General-Direktor Eric Mamer von der EU-Kommission nennt das „nicht richtlinienkonform“. In Nachbarländern wie Finnland und Norwegen werden ähnliche Praktiken kritisiert: Exzessive Jagdquoten behindern die Erholung und genetische Vielfalt. Die Kommission fordert einen grenzüberschreitenden Kontext – ein klares Signal gegen nationale Manipulationen.
Doch hier die harte Realität: Das ist kein vollständiger Stopp, sondern eine Rücksendung mit Überarbeitungspflicht. Schweden darf weiter gezielte Abschüsse durchführen und Quoten-Jagden (z. B. 30 Tiere im Januar 2025) laufen ungestört. Historisch hat Schweden mehrmals EuGH-Urteile kassiert (z. B. 2011 und 2019), aber wenig geändert – die Population stagniert bei 300 Tieren mit hohem Inzucht-Risiko.
Beispielfoto Wolf. © Brigitte Sommer

Parallelen zu Deutschland: Ein Warnsignal, das wir nicht ignorieren dürfen

Der ANCA-Artikel zieht explizite Parallelen zu Deutschland, wo Bewertungsparameter ohne wissenschaftliche Grundlage verändert werden – etwa durch Umschichtung von Referenzgrößen. Das erinnert an den Entwurf von Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU): 20-Kilometer-Abschusszonen nach einem Riss, präventive Rudel-Tötungen, wolfsfreie Zonen in sensiblen Gebieten und Streichung des § 45a im Bundesnaturschutzgesetz. Auch hier wird der „günstige Erhaltungszustand“ in zwei von drei Regionen deklariert, um Abschüsse zu rechtfertigen – trotz fragiler Population und genetischen Risiken. Experten wie Ilka Reinhard vom LUPUS-Institut warnen: Solche Maßnahmen erhöhen Nutztierschäden, statt sie zu mindern. Doch der Schweden-Fall zeigt: Solche Manipulationen werden nicht toleriert – oder doch? Die EU-Herabstufung des Wolfs von „streng geschützt“ zu „geschützt“ im März 2025 gibt Ländern mehr Flexibilität. In Deutschland droht zudem die Abschaffung des Verbandsklagerechts (angekündigt 2025), was Verbänden die Möglichkeit nehmen wird, juristisch einzugreifen. Das Monitoring ist an Jäger übertragen – ein klarer Interessenkonflikt. Es ist, als ob die Politik systematisch Kontrollen demontiert, während sie mit „Mahnungen“ wie in Schweden den Anschein von Fairness erweckt.

Hopium und Verrohung: Die tieferen Strukturen erkennen

Hier greifen wir auf die Analysen von Tom-Oliver Regenauer in seinem Buch „Hopium“ zurück: Diese kleinen „Siege“ wie der Schweden-Stopp sind oft nichts als Hopium – eine Droge aus falscher Hoffnung und Betäubung, die uns passiv macht, während Konzernlobbyisten die Agenda diktieren. Regenauer beschreibt die Polykrise als suizidales Manöver, in dem Korporatismus Empathie zerstört und Chaos nutzt, um Autoritarismus zu festigen. Der Wolf ist ein Symbol dafür: Eine Regierung, die massenhaft Jagd ermöglicht, will die Menschen verrohen – wie Rainer Mausfeld warnt, erzeugt sie Angst und Verwirrung, um demokratischen Widerstand zu lähmen. Friedrich Schillers Worte passen perfekt: „Der Krieg macht aus Eisen Gold und aus Menschen Tiere.“ Hier wird aus Munition Profit und aus Bürgern verrohte Zuschauer. Es ist weder der Wille, noch das Interesse der Mehrheit, ein Gemetzel anzurichten – Umfragen zeigen klare Unterstützung für Koexistenz. Doch wie Jean-Claude Juncker einst sagte: „Wir entscheiden etwas, lassen es liegen und schauen, was passiert.“ Solange kein Aufstand kommt, geht es Schritt für Schritt weiter – bis es kein Zurück gibt.
Beispielfoto spielende Wölfe. © Brigitte Sommer

Estland: Gericht gibt Jagd frei – und zeigt die wahre Richtung

Genau jetzt, im November 2025, hat das estnische Verwaltungsgericht Tallinn den Antrag der NGO Eesti Suurkiskjad abgelehnt, die gesamte Wolfsjagdsaison auszusetzen. Ergebnis: 84 Wölfe (ca. 12–15 % der Population) dürfen sofort geschossen werden. Das Gericht stützt sich auf das EuGH-Urteil C-601/22 (Juni 2025): Wenn ein Mitgliedstaat den „günstigen Erhaltungszustand“ national als gegeben erklärt, sind Abschüsse erlaubt – selbst wenn die Population genetisch belastet und fragmentiert ist. Das ist kein Einzelfall. Lettland jagt seit Jahren ohne große EU-Bremsen, Finnland und Norwegen tun Ähnliches. Der „schwedische Stopp“ wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Alibi-Manöver: Hier ein kleiner Tadel, dort volle Jagdfreigabe.

Unser Aufruf

Aufhören, im Theater mitzuspielen.
Keine Energie mehr für Aktionen, die das System genau dafür vorgesehen hat. Unterstützungen an Verbände überdenken, die staatliche Unterstützungen erhalten. 
Wer das erkennt, der kämpft nicht mehr gegen Windmühlen.
Der kämpft endlich da, wo es wirklich weh tut.
Der Wolf ist nur das erste Opfer.
Das zweite sind wir – wenn wir weiter Applaus spenden, während das Licht ausgeht.
Quellen:

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Konzerne und Lobbyisten bestimmen immer mehr –  und nicht im Interesse der Bürger und nicht zum Wohle der Natur – mit. Deshalb ist es essentiell, dass es Vereine wie Wolfsschutz-Deutschland e. V. gibt, die völlig unabhängig sind. Kein Vorstandsmitglied sitzt in einer Partei. Parteien mischen auch nicht bei uns mit und wir nehmen keine Lobbygelder an. Wer uns unterstützt, kann sich also sicher sein, dass wir stets im Sinne unserer Wölfe handeln. Wir sind nicht bestechlich. 

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2 Gedanken zu „EU-Stopp für Schwedens Wolfsplan: Hoffnung oder reines Politiktheater?

  1. man will ja uns Europäer kriegstauglich machen, also fängt man damit an, gegen die Natur zu agieren, damit die Menschen jegliche Empathie verlieren, die geforderten Abschüsse von Wölfen ist der Anfang. Ich halte diesen Stopp für ein Polittheater, wo man hinsieht, sieht man nur noch Korruption.

  2. „Ohne Zuwanderung droht Inzuchtdepression – ein Risiko, das Schwedens politischer Wert von 170 Tieren ignoriert.“
    Die ignorieren das nicht, das ist genau so gewollt! Auch eine perfide Form, den Wolf auszurotten:-(

    Wenn ich diese ständigen Forderungen von „Obergrenzen“ höre, werde ich sauwütend! Die Anzahl der Wölfe wird durch die zur Verfügung stehende Beute reguliert. Es bedarf keines Bestandsmanagements! Warum wollen das unsere beratungsresistenten Möchte-gern-Politiker nicht verstehen? Sie können sich das doch im Yellowstone-Nationalpark angucken, wie das funktioniert.

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