Wolfsverordnungen in Österreich laut Gerichtsurteil illegal

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichtshofs könnte die wilden Schießereien auf Wölfe, die einige Bundesländer in Österreich eröffnet hatten, beenden. Dort heißt es nämlich, dass Verordnungen zur Tötung streng geschützter Arten wie Wölfe, Biber und Fischotter nicht rechtskonform sind. Und auch die Senkung des EU-Schutzstatus wurde im Agrarrat abgeschmettert.

Mit einem Trick hatte man mit dem wahllosen Abschuss auf Wölfe begonnen. Statt wie früher mit Bescheiden zu arbeiten, gegen die Umweltorganisationen vorgehen konnten, versuchte man nun deren Klagemöglichkeiten per Verordnung zu umgehen.

In Osttirol wären seit Mitte Mai zwei Wölfe zum Abschuss freigegeben, so der ORF am 31. Mai in einer Pressemitteilung. Seitdem würden mehr als 300 Jäger die Tiere verfolgen, um sie zu töten.  In Prägraten wurde eine Prämie von 1.000 Euro für den Abschuss ausgesetzt. Dem Schützen wäre zudem auch noch Anonymität zugesichert worden. Auch diese Jäger sollten sich nun unserer Meinung nach nicht mehr zu sicher fühlen.

Wie schon in Kärnten, Tirol und Niederösterreich sollten ab 1. Juli auch in Oberösterreich per Verordnung Wölfe abgeschossen werden dürfen. Auch in Salzburg wollte man nachziehen.

Längst wissenschaftlich erwiesen: schießt man in Wolfsrudel hinein, erhöhen sich Risse eher noch, weil unerfahrene Jungtiere ohne Eltern nach leichtere Beute greifen. Foto: Säugende Wolfsmutter @Brigitte Sommer

Abschussverordnungen ohne Beteiligung von Umweltorgas illegal

Nun stellt die sogenannte Aarhus-Konvention klar, dass Umweltschutzorganisationen nicht nur das Recht haben müssen, in die Entnahmeverfahren von streng geschützten Tierarten eingebunden zu sein, sondern diese auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht überprüfen zu lassen. Durch die zuletzt verabschiedeten Verordnungen wurde das Beschwerderecht allerdings ausgehebelt, beklagten WWF und Ökobüro, die mit einer außerordentlichen Revision dagegen vorgegangen waren.

Meilenstein für den bröckelnden Artenschutz in Österreich

Der VwGH habe solchen Umgehungskonstruktionen nun einen Riegel vorgeschoben und klargestellt, „dass Umweltschutzorganisationen einen unionsrechtlich gebotenen Anspruch auf Überprüfung umweltbezogener Bestimmungen haben“, so die Umweltjuristin Lisa Schranz von der Organisation Ökobüro. Verordnungen zur Tötung streng geschützter Arten wie Wölfe, Biber und Fischotter in mehreren österreichischen Bundesländern wären daher nicht rechtskonform, betonte auch der WWF in einer Pressemitteilung von gestern und sieht einen „Meilenstein für den bröckelnden Artenschutz in Österreich“.

In Österreich leben gerade einmal 40 Wölfe

Laut des Leiters des Österreichzentrums Bär-Wolf-Luchs, Albin Blaschka, leben in Österreich zirka 40 Wölfe. 2022 hätten sie rund 800 Schafe und Ziegen auf den Almen gerissen. In der diesjährigen Almsaison seien es bisher etwa 150. Das Monitoring zählt aktuell sieben Rudel und eine Reihe wandernder Einzelwölfe.

Viel mehr tote Schafe durch andere Ursachen

Jedes Jahr werden in Österreich aber auf über 8000 Almen mehr als 300000 Rinder, 100000 Schafe, 10000 Ziegen und 8800 Pferde gealpt (Obweger 2017). Und während es von Wölfen gar keinen Angriff auf Menschen gibt, werden jährlich Menschen von Kühen schwer verletzt oder sogar getötet. Hier noch eine Zahl aus 2021: Im Schnitt kommen pro Jahr auf Österreichs Almen 3300 Schafe ums Leben. Der Anteil an Wolfsrissen beträgt knapp 14 Prozent.

„Die Abschüsse ersparen keinesfalls den Herdenschutz“, sagte Blaschka zur Sächsischen Zeitung. Aber gerade der sollte wohl kein Thema sein. Das Land Tirol erklärte einfach alle 2100 Almen zum Alpschutzgebiet und den Herdenschutz in dem oft steilen Gelände als nicht machbar. Die Almen mit Zäunen zu schützen sei deshalb auch für das Bundesland Salzburg keine Option: „Herdenschutz funktioniert im hofnahen Bereich, die Salzburger Bauern haben bereits mehr als 800 000 Euro dafür investiert“, sagte der Wolfsbeauftragte des Landes Salzburg, Hubert Stock. Aber hoch oben im Gelände sehe es anders aus.

Fünf Wölfe sinnlos erschossen

Besonders aktiv bei der Wolfsbejagung war Österreichs südlichstes Bundesland Kärnten. Hier wurden nach Angaben der Landesregierung in den vergangenen eineinhalb Jahren fünf als problematisch eingestufte Tiere erschossen.

Dabei gebe es bereits 70 Almen, die Herdenschutz erfolgreich praktizieren, so die Tierschutzorga VGT. Obmann Martin Balluch schickte eine Rechnung für einen Rehschutzzaun für seine Jungbäume an Wolfshetzer. Die illegale Ausrottung des Wolfes führe zu einer Schädigung des Ökosystems, so sein Argument. Die wichtige Rolle der großen Beutegreifer fiele dadurch aus. Und neben der Funktion als Gesundheitspolizei, schütze der Wolf u.a. vor zu starkem Verbiss. Österreich hätte deshalb die mit Abstand größte Rehdichte in ganz Europa. Mit Wölfen würde sich die Rehpopulation einem ökologisch verträglichen Maß nähern und damit den Jungwuchs im Wald fördern. Deswegen hätten seine  gepflanzten Jungbäume mit Zäunen geschützt werden müssen.

Erneuter Vorstoß auf Senkung des Schutzstatus des Wolfs in der EU abgeschmettert

Politiker der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ wollen den Druck in Richtung Brüssel hochhalten. Die EU habe verschlafen, den Schutzstatus des Wolfs anzupassen.

Bär und Wolf waren am 26. Juni unter anderem Thema des EU-Agrarrats in Luxemburg. In einer auf Initiative von Rumänien abgehaltenen Aussprache forderte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) erneut länderübergreifende Maßnahmen und eine „praxisnahe Ausnahme vom strengen Schutz des Wolfs“.

Rumänien forderte einen Paradigmenwechsel der bisherigen EU-Politik gegenüber „Beutegreifern“ und „innovative Lösungen“, um ein gedeihliches Zusammenleben von Mensch und Tier weiter zu ermöglichen. Man müsse der „realen Situation Rechnung tragen“.

Diese zeige etwa, dass in Rumänien zwei Drittel des europäischen Braunbärenbestands angesiedelt seien, der durch die wachsende Zahl vermehrt Probleme in Landwirtschaft und Tourismus verursache. „Wir sprechen von 8.000 Bären. Und die Zahl steigt“, so die rumänische Vertreterin.

Weg zur Koexistenz

Die größten Probleme seien aber Wölfe. In der Slowakei habe ein Wolfsrudel in der vergangenen Woche 300 Schafe angegriffen, von denen zwei Drittel dabei getötet oder verletzt wurden, hieß es seitens des Nachbarlandes, das ebenso wie Tschechien Rumäniens Vorstoß auf EU-Ebene unterstützte.

Es sei Zeit, den Schutzstatus bestimmter Arten zu überdenken, hieß es von tschechischer Seite. Dieser Haltung schlossen sich andere Ländervertreter an. Einzig Deutschland sah zwar „einen schwierigen Weg zur Koexistenz“ mit den Großraubtieren, aber für eine Änderung der 1992 beschlossenen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie „derzeit keinen Handlungsbedarf“, heißt es in einer Pressemitteilung des ORF.

Mindestens fünf Wölfen kostete eine Politik, die sich nicht nach dem Wohl der Allgemeinheit richtet, sondern ganz offensichtlich den Wunsch nach Trophäen erfüllt und dazu noch leichtgläubigen Bauern einen Sündenbock serviert hat, das Leben. Den Entscheidern muss von Anfang an klar gewesen sein, dass Verordnungen zum Wolfsabschuss rechtswidrig gewesen sein müssten, denn sonst hätte man nicht gleichzeitig eine Änderung der FFH-Richtlinie in Brüssel angestrebt. Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. hoffen sehr, dass mit dieser Klientelpolitik nun aufgeräumt wird und dies auch ein Schlaglicht auf Vorgänge in Deutschland wirft.

Quellen:

https://orf.at/stories/3321738/

https://www.saechsische.de/politik/international/oesterreich-und-schweiz-senken-die-abschuss-huerden-fuer-woelfe-5878545.html?fbclid=IwAR3fnTQKZYmwGq90FN2TPtemabVCBnJOZM_NQj86orPVEvy1Zr-9KiqE1jE

https://www.facebook.com/reel/286610863734820

https://www.oekobuero.at/

https://www.wwf.at/

https://orf.at/stories/3318646/

https://www.sn.at/panorama/oesterreich/woelfe-rissen-heuer-450-schafe-109691149

Klage könnte Söder-Populismus schnell den Garaus machen

Seit das Bayerische Kabinett am Dienstag eine Verordnung zum leichteren Abschuss von Wölfen beschlossen hat, sind viele Wolfsfreundinnen und Wolfsfreunde in Sorge. Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. halten den aktuellen Vorstoß von Söder für nichts anderes als Populismus, weil er sowohl gegen EU- als auch Deutsches Recht verstößt. Am 1. Mai soll die Verordnung in Kraft treten.  Der Bund Naturschutz erwägt eine Klage. Wolfsschutz-Deutschland e. V. begrüßt dies ausdrücklich.

In einem wirklich sehr lesenswerten Interview mit dem BR kritisiert Uwe Friedel vom Bund Naturschutz Bayern in Nürnberg Söders Vorstoß.  Er sei überzeugt, dass man Landwirten bereits vor Jahren die Wahrheit hätte sagen müssen: „All die Versprechungen, dass es Bejagung gibt, dass es mehr Abschüsse gibt und dass wir das Problem allein mit dem Gewehr lösen, das tritt so einfach nicht ein.“ Vielmehr müsse alles getan werden, um einen Herdenschutz der Weidetiere durchzusetzen.“ so Friedel im BR-Interview.

Dieser Meinung sind wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. auch. Solange Abschüsse als Problemlösung angeboten werden, so lange werden sich auch schwarze Schafe darum bemühen, Gründe für Abschüsse zu schaffen, und sei es selbst mit der Provokation von Rissen.

Beispielfoto Wölfe ©Brigitte Sommer

Dumme Almbauern?

Friedel fordert mehr Bildung für die Almbauern. Wir meinen, das Problem liegt eher in der Herzensbildung, denn Mitgefühl und Empathie haben zunächst nichts mit Bildung an sich zu tun. Vielmehr ist eine Bereitschaft, die Natur als Ganzes zu sehen und Mitgeschöpfe auch Platz einzuräumen, wichtig. Viele Almbauern verstehen ihre Arbeit in diesem Sinne, aber einige besonders laute Kollegen und Kolleginnen lassen sich von Politik und teilweise auch von ihren eigenen Verbänden auf einen Stellvertreterkrieg gegen einen Beutegreifer hineintreiben, der für ihre wirtschaftlich immer schwieriger werdende Situation nichts kann. Fakt ist es, dass viele Bundesländer Sondertöpfe der EU für Herdenschutz gar nicht abgerufen haben, oder die Beratung so kompliziert machen, dass viele Bauern vor der Beantragung kapitulieren. Ein weiteres Problem sind Subventionen, die vor allem an die gehen, die viel Land haben. Kleinbauern bleiben auf der Strecke.

Seltsam finden wir es auch, dass sowohl Söder, als auch Aiwanger entgangen zu sein scheint, dass jährlich viel mehr Weidetiere durch Krankheiten, Vernachlässigung und Abstürze ums Leben kommen, als durch Wolfsrisse. Dazu kommt, dass in Bayern eine lächerliche geringe Anzahl von Wölfen lebt.

Wer ist radikal?

Friedel distanziert sich im BR-Interview von so genannten „radikalen“ Tierschützern. Zitat: „Wir sind ein Naturschutzverband und kein Tierschutzverband. Der Vorschlag, JJ4 (Bärin) in Freiheit zu entlassen, erschreckt mich. Hier hätte ich die Befürchtung, dass wieder ein Unfall passiert. Und das muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden.“ Grundsätzlich wichtig sei, dass die unterschiedlichen Interessenparteien ins Gespräch kommen. Man sei sich in vielen Bereichen nicht einig, aber es gäbe sicher auch Schnittmengen.“

Wir bedauern, dass Friedel andere Ansichten als „radikal“ einstuft, begrüßen aber ausdrücklich das Einräumen von Schnittmengen mit Tierschützern und Tierrechtlern. Wir reichen hier dem Bund Naturschutz gerne die Hand. Früher gab es einmal eine Streitkultur bei der unterschiedliche Meinungen diskutiert werden konnten. Heute werden andere Meinungen meist von bestimmten Mitgliedern von  „stärkeren Verbänden“ gecancelt und es wird gehetzt.

Über die unterschiedlichen Ansichten von Natur- und Artenschützern gegenüber Tierschützern und Tierrechtlern hatten wir hier bereits berichtet: https://wolfsschutz-deutschland.de/2017/07/29/starke-frauen-fuer-einen-starken-naturschutz-gestern-heute-und-morgen/

Die meisten Streitereien ergeben sich aus den unterschiedlichen Ansichten.

Die Bayerische Wolfsverordnung ist nichts als heiße Luft

Der „Schutz des Menschen und der öffentlichen Sicherheit“ sieht den Abschuss von Wölfen vor, die sich beispielsweise „mehrfach Menschen außerhalb von Fahrzeugen auf unter 30 Meter nähern“ oder „über mehrere Tage hinweg in einem Umkreis von weniger als 200 Metern von geschlossenen Ortschaften oder von Menschen genutzten Gebäuden oder Ställen gesehen werden“.

Laut Paragraf 2 soll es auf Almen in Zukunft bereits für den Abschuss eines Wolfs genügen, wenn er ein Schaf, eine Ziege oder ein anderes Nutztier reißt. Überschrieben ist Paragraf 2 mit den Worten „Abwendung ernster wirtschaftlicher Schäden“.

Dazu schreibt die Süddeutsche: „Zuständig für die Wolfsabschüsse sollen nach Söders Willen künftig die Unteren Naturschutzbehörden (UNB) an den Landratsämtern sein, und zwar sowohl was die Anordnung der Abschüsse, als auch die Auswahl der Jäger anbelangt. Die Kadaver der erlegten Wölfe müssen allerdings am Landesamt für Umwelt (LfU) abgeliefert werden. Gemäß Paragraf 4 tritt die Verordnung am 1. Mai 2023 in Kraft, so wie das Söder vergangene Woche angekündigt hatte.

Dem BN zufolge ist die neue Verordnung das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben ist. Und zwar in vielfacher Hinsicht. Deshalb gab sich auch BN-Chef Mergner zuversichtlich, dass die Gerichte die neue Verordnung rasch kassieren werden. Als einen Grund nannte Mergner, dass Bestimmungen zu pauschal und abstrakt seien. So sei es nicht automatisch eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen, wenn sich ihnen ein Wolf auf weniger als 30 Meter nähert, oder sich wiederholt in der Nähe von Ortschaften oder Gehöften sehen lässt.

Das aber ist es nicht allein. Die Staatsregierung dürfe die Entscheidung über etwaige Wolfsabschüsse nicht an die Naturschutzbehörden an den Landratsämtern delegieren. „Bei allem Respekt vor den Mitarbeitern der UNB“, sagte der BN-Chef. „Das übersteigt ihre Kompetenz und steht in Widerspruch zu allen Vorgaben der Naturschutzgesetze.“

 

Hier ist das Interview mit dem BR zu lesen: https://www.br.de/nachrichten/bayern/bund-naturschutz-wolf-problem-nur-mit-gewehr-nicht-zu-loesen,TcYglTF?fbclid=IwAR0tOcrRuSesYh0y3vsLu0D3g2H_qcqP2EnBrhYLBVppLRMhg-S388xBLUk

Weiterer Hintergrund dazu: https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-woelfe-abschuss-markus-soeder-bund-naturschutz-bauern-1.5821068?fbclid=IwAR2GSntFlIZpdDIGc7f3BAmBCF_T9atRE3LPjUVOc64uz4Vm-2HOPCEUin8