Offener Brief an den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies

7. September 2018

Sehr geehrter Herr Minister Lies,

wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. widersprechen energisch  Ihren populistischen Äußerungen zum Thema Wolf.  Sie sind weder sachlich, noch aufklärend und beinhalten keinerlei  Lösungsansätze, die dem Inhalt des Umwelt- und Naturschutzes gerecht werden.  Noch dazu schüren Sie damit  ein mediales Klima, dass nicht berücksichtigt, wie sich die reale Wirklichkeit zeigt.

Das vom CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Frank Schmädeke verlautbarte Gespräch mit Ihnen (abgedruckt in der „Harke“ als Pressemitteilung von Herrn Schmädeke ) sagt aus, dass Sie – sollte sich der Riss in einem Stall in Steimke bewahrheiten – das ganze, dort im Bereich lebende Wolfsrudel  abschießen lassen wollen.

Etwas befremdlich ist, dass Sie den Zeitungsbericht von Herrn Schmädeke schreiben ließen und von Ihnen nur in der dritten Person die Rede ist.  Sollten Sie diese von Herrn Schmädeke beschriebene Tat tatsächlich ausführen, würde dies gesetzwidrig sein.  Von Vergrämungsmaßnahmen  wird da gar nicht erst geschrieben, nein, wenn Dr. Schmädeke alle Wölfe abknallen will, dann nicken Sie das gleich ab, schließlich ist die CDU ja ihr treuer Koalitionspartner.  Dass Sie sich als Minister nicht schämen für das, was Sie sagen, das ist gang und gäbe bei Politikern, dass Sie sich aber von den Lobbyisten der Bauernverbände und Weidetierhalter dermaßen instrumentalisieren lassen für einen widerlichen und völlig irrsinnigen Eingriff in die Natur und den Artenschutz, das gibt uns sehr zu denken.

Abgeschossener „Kurti“ soll als Beispiel dienen, dass man weiter Wölfe erschießt

Wir wollen jetzt nicht Ihre Bundes-SPD zitieren, die uns vor der Bundestagswahl auf Anfrage erklärt hatte, dass sie am Schutzstatus des Wolfs nichts ändern werde, da dies natürlich gelogen war, ich möchte Sie einfach nur daran erinnern, dass der Wolf nach wie vor streng geschützt ist und die EU diesen Schutz in diesem Jahr sogar erneuert hat.

Ganz stolz verkündet Ihr Koalitionskollege von der CDU in seinem Artikel, dass man bei diesem Rudel im Bereich Nienburg genauso vorgehen könne, wie beim  Abschuss des Wolfes „Kurti“ (MT-6). Einmal abknallen, immer abknallen.

Wir von Wolfsschutz-Deutschland e.V. verfolgen schon seit langem die Diskussion zum Thema Wolf in Ihrem Bundesland.  Der von Ihrem Ministerium proklamierte „Problemwolf“ Kurti, der kein „Problemwolf“ war,  passt als Vorgeschichte zu dem, was Sie jetzt nach eigenen Aussagen fortsetzen wollen, nämlich das Abschießen von Wölfen im Bereich Nienburg. Handelte es sich bei Kurti um einen Wolf, so scheinen Sie ja jetzt ein ganzes Rudel abschießen zu wollen, einschließlich Jungtiere.  Abgesehen davon, dass Ihnen das gesetzlich gar nicht erlaubt wäre,  spricht dies dafür, dass Sie als Umweltminister die Belange der Natur und des Artenschutzes so gar nicht interessieren.

Keine Einzäunung der Kulturlandschaft gewollt, aber 6200 Windernergieanlagen stehen in der Landschaft

Ein Nachdenken darüber, wie man die Weide- und Nutztiere besser schützen könnte,  scheint auch bei Ihnen gar nicht gewollt.  Wie wäre es mit ein bisschen mehr Aufklärungsarbeit über den Wolf und die 80 % Zuschüsse, die Nutz- und Weidetierhalter vom Staat Niedersachsen erhalten können, wenn Sie für einen ordnungsgemäßen Wolfsschutz sorgen?

„Die wolfssichere Einzäunung der Kulturlandschaft könne nicht die Lösung sein“, argumentiert Ihr Kollege von der CDU und  argumentiert dies u.a. damit, dass dies einen zu hohen Aufwand für die Tierhalter  bedeuten würde.  Lassen Sie dies etwa gelten? Wer seine Tiere liebt, der schützt sie, er hat dazu sogar gegenüber dem Tierschutzgesetz eine Verpflichtung, egal, ob er sie vor dem Wolf, dem Fuchs, oder dem Adler schützen muss. Und wer Profit mit seinen Tieren macht, der will das nicht tun?

Ein Blick in die Statistik des Landesamtes für Statistik Niedersachsen für 2016 zeigt, dass von den 2167 landwirtschaftlichen Betrieben, die eine Schafzucht betreiben, nur ca. 300 davon 100 und mehr Schafe besitzen und als Nebenerwerbs- bzw. Hoobyschäfer zu bezeichnen sind.  Gerade dieser Anteil aber sträubt sich gegen einen besseren Schutz der Tiere vor dem Wolf. Entsprechende statistische Hochrechnungen für 2017 können dahingehend interpretiert werden, dass vor allem die Anzahl der Schafe eher zugenommen, als abgenommen hat.

Apropos Kulturlandschaft: In Niedersachsen gibt es 6200 Windanlagen. Die stören die Kulturlandschaft nicht, aber eine wolfssichere Einzäunung schon?

Und weil Sie ja glauben, der böse Wolf würde Existenzen zerstören: Die Zahl der Weidetiere hat auch in Niedersachsen  eher zugenommen, als abgenommen, obwohl die Verkaufspreise beim Schlachter angeblich gesunken sind.  Bei allen Schaf- und Ziegenhaltern kommt ein erheblicher Teil der Einnahmen aus staatlichen Fördergeldern und Zuschüssen, zum Beispiel für die Beweidung von Autobahndämmen, Blumenwiesen, auch das muss hier einmal gesagt werden. Nach dem Motto: „Kauf Dir ein Schaf und schon bekommst Du dafür Geld vom Staat und der EU“.

Es klingt wie ein Trauerspiel, wenn man in einschlägigen Medien immer wieder liest, dass Schaf Emma, oder Bock Oskar angeblich von einem Wolf gerissen wurden und dass  diese Tiere so ans Herz gewachsen seien.  Dass diese Tiere aber auch ohne Riss beim Schlachter getötet würden, das wird irgendwie gar nicht kommuniziert. Macht sich auch nicht so gut.  Die niedrigen Ertragspreise werden nicht thematisiert, denn schließlich hat man jetzt ja den Wolf, der alles frisst, was ihm in die Quere kommt und der als Sündenbock herhalten muss.

Und zu guter Letzt ein Blick in die Rissliste Ihres Ministeriums. Von den 144 gelisteten Fällen im Jahr 2018 gab es 78 Mal keinen ausreichenden Schutz. In 53 Fällen, in denen ein Wolf für einen Riss nachgewiesen werden konnte, war kein vorgeschriebener Schutz vor Wölfen vorhanden. In gerade einmal 11 Fällen, in denen ein Wolf als Verursacher festgestellt wurde,  ist  ein Mindestschutz gemäß Richtlinie Wolf vorhanden gewesen.  Also in 11 von 144 Fällen!

Wäre es da nicht angebracht,  die Fälle einmal zu publizieren, in denen kein ausreichender Schutz vor dem Wolf vorhanden war,  oder gehört das in Ihrem Ministerium einfach nur zum Standard, den Wolf allgemein zu verteufeln?

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Sommer

Erste Vorsitzende Wolfsschutz-Deutschland e.V.

Volker Vogel, Mitglied des Vorstands Wolfsschutz-Deutschland e.V.

Wolfsschutz Deutschland vor Ort in Brüssel – Resümee und Protokoll zur Veranstaltung des Umweltministeriums Sachsen-Anhalt

Unser Vereinsmitglied Henrike Lichtenberg ist am 12. April nach Brüssel gereist, um an einer Veranstaltung der  Landesvertretung Sachsen-Anhalts teilzunehmen. 

Eine Dezimierung, wie es der Koalitionsvertrag der GroKo vorsieht, wird es mit Brüssel vorerst nicht geben. Ausnahmegenehmigungen würde es weiter geben. Hierbei hat man vor,  bundesweit operierende Teams zur Entnahme von so genannten Problemwölfen einzusetzen. Seit rund 20 Jahren gibt es wieder Wölfe in Deutschland. Dass es bislang noch keinen einzigen Problemwolf gab, sagen nicht nur wir von Wolfsschutz Deutschland, sondern auch Experten wie Günther Bloch oder Kurt Kotrschal. Die Kosten, die solches „Killerteams“ verursachen würden, mögen wir uns gar nicht vorstellen. Statt Wölfe zu kriminalisieren sollte lieber in eine Wildtierpolizei investiert werden, damit endlich einmal die vielen Fällen von illegaler Wolfstötung aufgeklärt werden könnten.

Der Wolf: Gekommen, um zu bleiben. Wie gelingt die Integration des großen Beutegreifers in unserer modernen Kulturlandschaft?

Referenten: Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert, Krzysztof Główczyński, Direktor des Welski Naturparkes Lidzbark in Ermland-Masuren, Dr. Elsa Nickel, Referatsleiterin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Nicola Notaro, Referatsleiter „Naturschutz“ der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission und Swen Keller, Schäfer und Ausbilder von Herdenschutzhunden aus Sachsen-Anhalt. Diskutiert wurden verschiedene Ansichten auf die Frage, wie das Ziel einer Akzeptanz des Wolfes im ländlichen Raum erreicht werden kann.

Ministerin Dalbert zog ein positives Resümee: „Ich war beeindruckt, wie groß auf europäischer Ebene das Interesse an unseren Managementmaßnahmen rund um den Wolf ist. In der sehr sachlichen Diskussion bestand große Einigkeit darüber, dass zwei Dinge im Vordergrund stehen:

Dalbert weiter: „Zum einen müssen wir unsere Nutztiere schützen und die Tierhalter bei Rissvorfällen entschädigen, denn die Weidetierhaltung leistet einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft und der Artenvielfalt. Nutztiere dürfen keine leichte Beute für den Wolf sein.“ Der Vertreter der EU-Kommission, Nicola Notaro, stellte klar, dass in Bezug auf den strengen Schutzstatus des Wolfes Änderungen im EU-Rechtsrahmen zeitnah nicht zu erwarten sind. Die europäischen Regierungen sollten die Nutztierhalter dabei unterstützen, die Weidetiere vor dem Wolf zu schützen. 

Man will das Monitoring ausbauen:

Dalbert:“Wir eine gemeinsame Erfassung der länderübergreifenden Wolfspopulation, also ein gemeinsames Monitoring mit Polen, um gesicherte Aussagen über die Populationsgröße machen zu können. Hier sind wir in Brüssel, beim Bundesministerium und bei den polnischen Kollegen auf offene Ohren gestoßen.“

Auch hier plädieren wir von Wolfsschutz Deutschland dafür, doch ganz Deutschland einheitlich zum Wolfsland zu erklären und Schäden zentral und mit wenig bürokratischen Aufwand zu begleichen. Dies wäre allemal günstiger als eine noch intensivere Überwachung der Wolfspopulation. Vieles über Wanderverhalten und Sozialleben weiß man bereits seit den 80-iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Schützen statt schießen:

„Informieren, schützen, entschädigen – mit diesem Ansatz für mehr Akzeptanz für den Wolf und dem Ziel den unterschiedlichen Interessen Rechnung zu tragen, geht Sachsen-Anhalt einen erfolgreichen Weg, “ so das Resümee von Dalbert. 

Ähnlich ging es auch Henrike Lichtenberg: „Ich bin mit einem erleichterten Gefühl aus der Tagung rausgegangen, da wir mit dem EU-Kommissar Nicola Notaro einen aufrichtigen Naturschützer und Wolfsfreund mit sehr scharfem Verstand und großer Kompetenz in Brüssel haben.“

Zurzeit sieht es also nicht so aus, als würde die EU auf die ständigen Forderungen diverser Deutscher Politiker eingehen wollen, den hohen Schutzstatus des Wolfs herabzusetzen. Dies dürfte auch ein deutliches Signal nach Bayern und Niedersachsen zu deuten sein. Gegen Schweden ist ein Verfahren eingeleitet worden. Auch Finnland steht vor dem EU-Gerichtshof. Auch Frankreich erntete Kritik von Notaro. Dort würden die Schutzmaßnahmen versagen, nicht die Wölfe schlimmer werden. 

Henrike Lichtenberg hat ein Protokoll von der kompletten Veranstaltung erstellt: Hier geht es zur ausführlichen Schilderung:

Tagung_Wolf_Gekommen_um_zu_bleiben[1]