Sensationsgier statt Fakten: Berichterstattung der „Thüringer Allgemeinen“ zur sogenannten „Wolfsattacke“

Nein, es gab keinen Angriff auf Menschen. Wolfsschutz-Deutschland e. V. verurteilt die einseitige und tendenziöse Berichterstattung der Thüringer Allgemeinen zum Thema „Zwei Wolfsrudel attackieren Menschen“ (Ausgabe 25./26. September 2025) aufs Schärfste. Schon in der Headline ist eine falsche Tatsachenbehauptung, der ganze Artikel ist zudem alarmistisch und verdreht die Realität zugunsten einer Wolfspanikmache, die weder wissenschaftlich noch ethisch haltbar ist. Es ist an der Zeit, die Fakten klarzustellen und die Verantwortung der Medien sowie der Politik in Thüringen zu hinterfragen.

Die Fakten statt Sensationslust

Die Grundlage der Berichterstattung bildet die Pressemitteilung des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie, Naturschutz und Forsten vom 24. September 2025. Darin wird von „auffälligem Verhalten“ einzelner Wölfe aus dem Rudel Neustadt am Rennsteig (NAR) berichtet. Es ist von Annäherungen an einen Spaziergänger und einen Forstbediensteten mit Hunden die Rede, ohne physischen Kontakt zu Menschen. Das Kompetenzzentrum Wolf Biber Luchs (KWBL), im Ministerium angesiedelt, stuft dies als Folge des illegalen Abschusses des Leitwolfs (GW3147m) Anfang September ein, der die Rudelstruktur destabilisiert habe. Wir berichteten hier über den Vorfall und setzten eine Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter aus. Damals war noch nicht bekannt, dass es sich um den Vaterwolf handelte: https://wolfsschutz-deutschland.de/2025/09/05/thueringen-illegaler-wolfsbeschuss-bei-ilmenau-strafanzeige-und-2000-euro-belohnung-zur-ergreifung-des-taeters/
Im Frühjahr gab es einen absurden Antrag auf Abschuss der Mutterwölfin, der jedoch abgelehnt worden war. Siehe Quellenlinks. Kriminelle haben sich anscheinend entschlossen, hier das Gewehr selbst in die Hand zu nehmen. Absolut verwerflich ist es dabei, dass sich der Vaterwolf wohl Tage bis Wochen schwer angeschossen gequält hat, bevor er von den Behörden erlöst werden musste. Insider berichten, dass Wölfe absichtlich schwer angeschossen werden würden, damit sie nicht im Revier des Täters sterben.
Die Mutterwölfin muss nun alleine Welpen von diesem und aus dem vergangenen Jahr versorgen, weil der Vater illegal getötet wurde. Beispielfoto Wolfsrudel © Brigitte Sommer
Das Rudel, bestehend aus einer Mutter-Fähe, vier Einjährigen und vier Welpen, zeige nun untypisches Verhalten, heißt es in der Pressemitteilung des Thüringer Umweltministeriums, insbesondere durch unerfahrene Jungtiere, die länger beobachten, da ihnen die Erfahrung fehlt. Monitoring und Vergrämungsmaßnahmen (z. B. Gummigeschosse) wurden angekündigt. Trotz mehrfacher Anfragen beim Umweltministerium erhielten wir keine weitere Stellungnahme. Ein Sprecher verneinte zudem die Existenz von Videos der Vorfälle, was wir angesichts der Smartphone-Kultur als merkwürdig empfinden. Dies nährt Zweifel an der Dramatik der Berichte. Könnte es sein, dass die Ereignisse übertrieben dargestellt werden, um eine politische Agenda zu stützen? Die gleichzeitige Forderung von leichteren Abschüssen scheint wie orchestriert. 

Tendenziöse Berichterstattung der „Thüringer Allgemeinen“

Ausriss aus der „Thüringer Allgemeinen“.

Die „Thüringer Allgemeine“, Teil der Funke-Mediengruppe, scheint an interne Mails des KWBL an Forstämter gelangt zu sein, die über die Vorfälle informieren. Diese werden jedoch sensationslüsternd ausgelegt, um eine Debatte über Abschüsse zu schüren. Die Funke-Gruppe ist bekannt für ihre Tendenz, die oft konservative und landwirtschaftsnahen Positionen bevorzugt – eine Linie, die hier klar zum Vorschein kommt. Statt sachliche Aufklärung wird Panik geschürt und Jägerstimmen, die für ein „Umdenken“ und erleichterte Abschüsse plädieren, dominieren den Artikel. Dies ignoriert, dass es Angriffe auf Menschen in Deutschland von frei lebenden Wölfen seit Ihrer Rückkehr um das Jahr 2000  nicht gegeben hat.

Politischer Druck aus Thüringen

Noch besorgniserregender ist die Haltung der thüringischen Regierungskoalition aus CDU, BSW und SPD, die laut aktuellen Aussagen Wölfe bejagen möchte. Die aktuelle Regierungskoalition hat in ihrem Regierungsprogramm und im neuen Managementplan für Wölfe explizit Pläne für ein „Bestandsmanagement“ formuliert, was die kontrollierte Jagd auf Wölfe legitimiert, um Populationen zu regulieren und Konflikte zu mindern. Diese Pläne widersprechen dem Naturschutz und den wissenschaftlichen Empfehlungen des Bundeskompetenzzentrums (DBBW), das Monitoring und Prävention befürwortet. Die Instabilität des Neustädter-Rudels durch den Verlust des Leitwolfs ist eine direkte Folge illegaler Jagd – ein Problem, das durch strengere Strafen, nicht durch weitere Abschüsse, gelöst werden sollte.

Unser Standpunkt

Wir zweifeln die Darstellung der Vorfälle stark an, solange keine unabhängigen Beweise (z. B. Videos) vorliegen. Das Verhalten der Jungtiere ist erklärbar und kein Grund für Hysterie. Wölfe sind Teil unserer Ökosysteme und verdienen Schutz, nicht Verfolgung. Die „Thüringer Allgemeine“ trägt mit ihrer Berichterstattung und die Politik mit Lobbytendenz zur Dämonisierung der Wölfe bei, anstatt Lösungen wie Aufklärung und Prävention zu fördern, die gerade in Thüringen dringend notwendig wäre, denn ein Blick auf die Rissliste bestätigt, dass noch immer so gut wie kein gerissenes Weidetier geschützt gewesen ist. 

Das Territorium Neustadt am Rennsteig in dem Waldgebiet zwischen Neustadt am Rennsteig, dem Dreiherrenstein und Gehren existiert laut Umweltministerium seit 2024. Im Jahr 2024 konnte mittels genetischer Untersuchungen ein Rudel mit insgesamt 4 Welpen festgestellt werden. Die beiden Elterntiere sind GW2985f und GW3147m. Der Rüde war bereits aus dem vormaligen Territorium „Neuhaus am Rennweg“ bekannt, welches sich auflöste, nachdem seine Fähe GW2437f „verschwand“. Der Rüde und die neue Fähe verlagerten ihren Aktivitätsschwerpunkt in Richtung Nord-Westen in den Bereich nördlich von Neustadt am Rennsteig. Nun ist der Vaterwolf selbst den Kriminellen zum Opfer gefallen, die nun dem gesamten Rudel noch mehr nachstellen werden. Wir freuen uns über aktive Menschen, die uns dort vor Ort unterstützen: https://wolfsschutz-deutschland.de/mitglied-werden/

Das KWBL geht aktuell im NAR-Territorium von acht Tieren aus (einer Mutter-Fähe, vier Einjährigen, vier Welpen aus diesem Jahr), die nun ohne Vater leben müssen.

Quellen:

https://umwelt.thueringen.de/aktuelles/anzeigen-medieninformationen/einzeltiere-aus-dem-wolfs-rudel-neustadt-am-rennsteig-nar-auffaellig-mehr-monitoring-und-vergraemung

https://wolfsschutz-deutschland.de/2025/06/03/thueringen-absurder-antrag-auf-wolfsabschuss-auf-mutterwoelfin-des-rudels-neustadt-im-ilmkreis/

https://wolfsschutz-deutschland.de/2025/08/13/antrag-auf-abschussverfuegung-gegen-wolf-im-ilm-kreis-in-thueringen-abgelehnt/

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/wolf-abschuss-schutz-brandenburg-bundesrat-100.html

https://wolfsschutz-deutschland.de/2025/02/07/thueringen-bsw-minister-mit-stasivergangenheit-will-schutzstatus-senken-und-woelfe-toeten-lassen/

https://wolfsschutz-deutschland.de/2025/05/03/thueringen-kein-unglaublicher-anstieg-der-wolfsrisse-politiker-und-presse-verbreiten-die-unwahrheit/

https://umwelt.thueringen.de/aktuelles/anzeigen-medieninformationen/medieninformation-aktualisierter-wolfsmanagement-plan-thueringen-jetzt-online-verfuegbar

https://umwelt.thueringen.de/themen/natur-artenschutz/kompetenzzentrum/wolf

 

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