Sachsen: Wildernder Hund von Wölfen getötet?

„Freilaufender Hund in Ostsachsen von Wölfen getötet.“ Damit machte eine Pressemitteilung der Fachstelle Wolf gestern auf. Im Einstiegstext heißt es allerdings nur noch „mit hoher Wahrscheinlichkeit“. Dennoch titeln die Massenmedien, die diese Pressemitteilung aufgreifen, mit der gleichen Tatsachenbehauptung in der Headline. Ein Desaster von Öffentlichkeitsarbeit, wie wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V.  finden.

Am Freitag, dem 03. März 2023, sei in Weißwasser/Oberlausitz (Landkreis Görlitz) mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Hund von Wölfen getötet worden, heißt es in der Pressemitteilung der Fachstelle Wolf weiter. Das hätte die Begutachtung der Überreste des Hundes durch die Fachstelle Wolf des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie ergeben. Eine Untersuchung der vor Ort genommenen genetischen Proben soll weiteren Aufschluss dazu geben.
Warum wird nicht erst eine Pressemitteilung zu diesem Fall herausgegeben, wenn ein Ergebnis fest steht? Oder aber zumindest eine Tatsachenbehauptung nicht in die Headline einer Pressemitteilung gesetzt? Eine hohe Wahrscheinlickeit ist eben keine Sicherheit.
Beispielbild Collie @Pixabay.
Bei dem getöteten Tier handele es sich um eine Collie-Hündin. Sie sei beim Spaziergang mit ihrem Besitzer einem Reh hinterhergelaufen. Nachdem die Hündin nach ein paar Minuten nicht zurückkehrte und auch nicht auf Pfiffe und Rufe reagiert habe, hätte sich der Hundehalter auf die Suche nach ihr gemacht. Eine Weile später hätte er drei Wölfe aus dem Waldstück davonlaufen sehen und er hätte dort die Überreste seiner Hündin gefunden. Sie hätte eine Vielzahl von Bisswunden aufgewiesen und wäre zum Teil aufgefressen gewesen.
Die Einschätzung der Fachstelle Wolf: „Zu Angriffen von Wölfen auf Hunde kann es vor allem dann kommen, wenn Hunde sich allein im Gelände bewegen und dort auf Wölfe treffen. Unter Umständen werden sie dann von den Wölfen als Eindringlinge in ihr Territorium betrachtet. Das kann zu Kämpfen führen, die tödlich enden können. Das gilt insbesondere in der Paarungszeit der Wölfe, die von Februar bis März dauert.
Der beste Schutz für Hunde ist die Nähe zu Menschen. Daher gilt die Empfehlung, dass Hunde im Wolfsgebiet generell angeleint beziehungsweise nahe bei ihrem Besitzer geführt werden sollten.“
Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. bestreiten gar nicht, dass es tatsächlich Wölfe gewesen sein könnten, doch wundern wir uns darüber, wie wenig der Halter selbst in der Pressemitteilung zur Verantwortung gezogen wurde. Seit dem ersten März gilt die Brut- und Setzzeit und damit in den meisten Bundesländern die Anleinpflicht für Hunde. Unsere Befürchtung: Dieser Vorfall wird erneut von den Massenmedien dafür genutzt werden, um Stimmung gegen die Wölfe zu erzeugen und da die meisten Menschen nur die Überschriften lesen, wird sich eine Richtigstellung, falls es doch keine Wölfe gewesen sind, nicht groß verbreiten, weil solche Richtigstellungen oft nicht von dem Massenmedien aufgegriffen werden.
Falls es tatsächlich Wölfe waren, hat unserer Ansicht nach der Hundehalter grob fahrlässig gehandelt. Das Gebiet um Weißwasser in Sachsen ist seit zwanzig Jahren Wolfsgebiet und Hundehalter sollten sich auskennen. Wir bedauern den Tod der Hündin sehr.

Keine rasante Vermehrung: Neue Wolfszahlen für Sachsen entlarven alte Probleme

Das Lupus-Institut glaubt an eine hohe Dynamik unter Sachsens Wolfsrudeln, wie heute in einer aktuellen Pressemitteilung des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie bekannt wird. Wolfsschutz-Deutschland e. V. zweifelt allerdings daran, dass bestimmte Wolfsrudel durch hohen Konkurrenzdruck verschwunden sind. Vielmehr sehen wir einen enorm hohen Jagddruck sowie die ASP-Wildschweinzäune an der Grenze zu Polen als Ursache für das Verschwinden des Neusorge- und des Biehain- sowie des Weißwasser-Rudels.

Neue Territorien nur östlich der Elbe

Im abgeschlossenen Monitoringjahr 2020/2021 konnten in Sachsen 34 Territorien nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um 29 Rudel, drei Paare und zwei territoriale Einzeltiere. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 29 Territorien (28 Rudel und ein Paar).
Die Wolfsterritorien konzentrieren sich auf die bisher bekannten Gebiete. Während das Geschehen in Nordsachsen zu stagnieren scheint, lassen die Daten in Ostsachsen eine hohe Dynamik erkennen. Alle neuen sächsischen Territorien liegen östlich der Elbe. Hier sind im Laufe des letzten Jahres sowohl neue Territorien entstanden als auch bestehende wieder verschwunden, was auf einen hohen Konkurrenzdruck unter den Wölfen hinweisen würde, so das Lupus Institut.
Verteilung der Wolfsrudel in Sachsen. ©Lupus Institut.
Hinzugekommen sind die Rudel Halbendorf und Weißwasser. Auch in der Gohrischheide konnte ein Rudel nachgewiesen werden, nachdem der Status im Monitoringjahr 2019/2020 unklar war. Zudem konnte das Wolfspaar Hammerstadt sowie jeweils ein Einzeltier in den Territorien Niesky II und Sagar nachgewiesen werden. Es wird vermutet, dass es sich bei den Einzeltieren in den Territorien Niesky II und Sagar um Rudel handeln könnte. Die Datenlage reichte jedoch bisher nur aus, um Einzeltiere zu bestätigen.
Die neuen Territorien liegen teilweise in Gebieten, die zuvor von anderen Wölfen besetzt waren. So konnten die beiden Rudel Neusorge und Biehain/Niesky im Monitoringjahr 2020/2021 nicht mehr nachgewiesen werden. Auch das Vorkommen Elstra und das vor Kurzem neu nachgewiesene Rudel Weißwasser waren zum Ende des Monitoringjahres 2020/2021 bereits erloschen. Dieser rasche Wechsel verdeutliche, dass die Territorien in der Lausitz unter den Wölfen hart umkämpft wären, heisst es in der Pressemitteilungen weiter.
Bilder aus unseren Forschungskameras Ostsachsen.

Wir freuen uns über neue Vereinsmitglieder in Sachsen

Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. sehen andere Ursachen für das Verschwinden von Wolfsrudeln nahe an der polnischen Grenze. Wir haben in diesen Gebieten ebenfalls Forschungswildkameras untergebracht, da wir daran forschen, welche Beutetiere und welche anderen kleinen Beutegreifer, wie z. B. Fuchs und Goldschakal ebenfalls im Wolfsrevier leben. Mit unserer Langzeitstudie wollen wir nachweisen, dass Wölfe im Gegensatz zur Behauptung vieler Jäger, eben keineswegs ihr Revier leerfressen. Bisherige Ergebnisse bestätigen, dass sowohl die Beute, wie Rothirsch oder Wildschein, als auch andere kleinere Beutegreifer sehr entspannt mit Wölfen „Tür an Tür“ leben. Nach unseren Beobachtungen sind es vor allem praktisch wöchentlich stattfindende Treibjagden auf Wildschweine, die auch die Wölfe in den Gebieten Ostsachsen erheblich stören. Als Begründung dieser Treibjagden wird die Vorbeugung der Schweinepest angegeben. Wir befürchten allerdings, dass bei diesen Treibjagden nicht nur auf Wildschweine geschossen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schonzeit des Rotwilds aufgehoben wurde und gerade in der Region Neusorge und Bihain intensivst  gejagt wird. Wir beobachten dies sogar in einem so genannten Prozeßschutzgebiet, in dem normalerweise gar nicht gejagt werden dürfte.
Bilder aus unseren Forschungskameras Ostsachsen.
Wir suchen dringend naturbegeisterte Menschen, die uns in Sachsen, Schwerpunktmäßig gerade auch in Ostsachsen unterstützen möchten. Wir sichern Anonymität zu. Hier unsere Hotline: 0176 48732612. Mitgliedsanträge gibt es hier: https://wolfsschutz-deutschland.de/mitglied-werden/

Zwei Wolfsmütter pro Rudel bleiben eine Ausnahme

In den Rudeln Nochten, Neustadt/Spremberg, Knappenrode/Seenland und Dauban wurden Doppelreproduktionen nachgewiesen, die das Lupus Institut ebenfalls als Folge des Konkurrenzdrucks deutet. Bei einer Doppelreproduktion sind zwei Wolfsfähen des Rudels gleichzeitig trächtig, sodass sich die Zahl des Nachwuchses im Rudel zusätzlich erhöht. Normalerweise bekommen nur die Elterntiere eines Rudels ein mal im Jahr Nachwuchs.
Eine andere Entwicklung beobachtet das Lupus Institut westlich der Elbe. In Nordsachsen sind keine neuen Rudel nachgewiesen worden. Die drei bereits bekannten Rudel Delitzsch, Authausener Wald und Dahlener Heide konnten erneut bestätigt werden. Im nördlich von Leipzig gelegenen Delitzscher Rudel hat sich die Wolfsfähe mit ihrem Sohn gepaart, was auf das Fehlen eines geeigneten Partners hindeutet und damit auf die fehlende Zuwanderung neuer Tiere. Wir von Wolfsschutz-Deutschland sehen dies ebenfalls als Indiz dafür an, dass Wölfe dort heimlich beseitigt werden.
Das Lupus-Institut hat weiter herausgefunden: Auf dem Erzgebirgskamm gibt es drei grenzübergreifende Wolfsterritorien, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite bei Prebuz, Výsluni und Fláje haben. Das im Monitoringjahr 2019/2020 südlich von Marienberg mit dem Status »unklar« beschriebene Gebiet wird im Monitoringjahr 2020/2021 für Sachsen nicht mehr aufgeführt, da Wolfshinweise aus diesem Gebiet dem tschechischen Rudel Výsluní zuzuordnen sind. In der Böhmischen Schweiz sowie dem Lausitzer Gebirge befinden sich ebenfalls zwei grenzüberschreitende Rudel, bei Luzické hory východ und Luzické hory zapad, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite haben.
Auch im Raum Moritzburg und im Nationalpark Sächsische Schweiz wurden Wölfe durch das Lupus Institut nachgewiesen. Es konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob es sich dabei um eigenständige Vorkommen handelt oder ob diese Gebiete von benachbarten Rudeln mitgenutzt werden. Der Status blieb in diesen Gebieten daher unklar.
Insgesamt konnten im Monitoringjahr 2020/2021 87 Welpen in Sachsen nachgewiesen werden, davon sechs westlich und 81 östlich der Elbe. In den grenzübergreifenden Rudeln wurden die Welpen alle auf tschechischer Seite nachgewiesen und werden dort mitgezählt.
Tot aufgefunden wurden in Sachsen 23 Wölfe: 14 Wölfe sind bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, bei sieben Fällen handelte es sich um natürliche Todesursachen, bei einem Fall um eine illegale Tötung, bei einem weiteren Fall bleibt die Todesursache unklar. Der Schwerpunkt der Totfunde liegt in den Gebieten mit hohen Wolfsvorkommen in Ostsachsen.
Von einer rasant steigenden Entwicklung der Wolfspopulation, wie es Jäger, Weidetierhalter und Wolfsgegner immer wieder behaupten, kann also auch in diesem Jahr überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil sehen wir klare Indizien dafür, dass Wölfe heimlich beseitigt werden. Die Täter scheinen wenig Furch vor einer Aufdeckung zu haben, obwohl illegale Abschüsse schwere kriminelle Taten darstellen und mit Gefängnis von bis zu fünf Jahren bestraft werden können.