Unser Vortrag mit dem bekannten Wolfsforscher Toni Seiler, zusammengefasst von Mel Green

Von links: Angelika Zipper-Hüttges, TWH Anori pura Gioia, Brigitte Sommer, Toni Seiler und Mel Green.

Ein Kommentar von Mel Green, 30.08.2018

Referent: Toni Seiler, Besitzer der bekannten Hundeschule Seiler. Seiler ist ein Fachmann auf dem Gebiet von Wölfen und Hunden. Er war jahrelang Wegbegleiter des international bekannten Wolfsforschers Erik Zimen.

Seiler lernte den Verhaltensforscher Zimen 1991 kennen, in der Zeit, als er mit seiner Hundeschule begann. 1993 führte Seiler im Auftrag von Erik Zimen auf seinem Gelände seine erste Handaufzucht von Wölfen durch. Von seinen Erfahrungen und seinem Wissen über den Wolf will er den Zuhörern am 25. August erzählen und auch darüber, dass  freilebende Wölfe nicht böse sind, auch wenn das von einigen Leuten immer wieder behauptet wird. Seiler: „Die Besucher werden Dinge erfahren, die sie aus einem Buch gar nicht lernen können“.

Soweit so gut lautete die Ankündigung.

Es war einer dieser recht bewölkten und durch jedes Kleidungsstück ziehenden, windigen Tage, die einem spontan nach jeder Hitzewelle erstmal den Gedanken an warme Decken, Lebkuchen und vielleicht auch Kaminfeuer in den Kopf rufen lassen.

Gekommen waren dennoch einige Leute. Das Café war auf zwei Ebenen voll besetzt, selbst die eingekehrte Radfahrergruppe, die wohl eher zufällig dazustieß, blieb nach ihrem Mittagstisch bis zum Ende des Vortrages und der anschließenden Fragerunde.
Es saßen gemischt alle Altersgruppen und wohl auch jene, die im Vortrag bzw. danach kritische Fragen stellten.

Aber von vorne:
Nach der Vorstellung des Referenten durch die Vereinsvorsitzende Brigitte Sommer, folgte eine kurze Einleitung darüber, wer er ist, was er macht oder gemacht hat und das es letztlich die vielen, oft negativen Medienberichte über den Wolf gewesen sind, die ihn dazu bewogen haben, wieder einen öffentlichen Vortrag zu halten, da er sich jedes Mal über das ärgere, was alles in den Medien NICHT erzählt wird. Vielmehr wurde die Frage in dem Raum gestellt, ob „er“ vielen Menschen so Angst macht, weil „er“ uns so ähnlich in seinen sozialen Strukturen ist?
Sicher ein Wolf ist und bleibt ein Raubtier, aber dieser Hass der ihm auch hier in Deutschland entgegenweht steht in absolut keinem Verhältnis und rührt noch aus längst vergangenen Zeiten.

Er nannte hier als Beispiel das Märchen um „Rotkäppchen“.
Erwähnt wurde, dass das Märchen im Original von „dem bösen Mann“ handelte, nicht von „dem böse Wolf“.
Erst durch die Verbreitung der grimmschen Übersetzung, wurde eine Analogie zwischen „dem bösen Mann“ und der „Bestie Wolf“ geschaffen, nicht zuletzt um den ganzen „Rotkäppchen“, also den jungen, unverheirateten Frauen, eine Scheu und Angst gegenüber allen Männern (die nicht der Ehemann waren) einzubläuen.
Ebenso wurde das Motiv aufgegriffen von den Großgrundbesitzern, Gutsherren und Fürsten gegenüber ihrem Gesinde, damit es aus dem Wald fern bleibe und so keine Beeren oder Pilze von ihrem „Herren“ stehle. Dabei allen voran wurde dieses Bild den Frauen, Kindern und Alten vermittelt, da sie ja die „Sammler“ waren.
Den Männern, also den „Jägern“ oblag die Pflicht, bei jeder Sichtung eines Wolfes, auf eigene Unkosten, ihrem Lehnsherren ihren Dienst zu erweisen, einzig ausgenommen dieser Pflicht war der Priester/ Pfarrer und der Lehrer.
Aus alten Kirchenchroniken sind Aufzeichnungen vorhanden, die diese Wolfsjagden belegen und auch von seltsamen Begegnungen zu berichten wussten, z.B.:
Eine Frau, die wegen Besorgungen in eine andere Ortschaft lief, musste mal.
Dazu begab sie sich an den Waldrand ins Gebüsch und fiel rücklings in eine der damals viel verwendeten Wolfsgruben, 3m x 4m tief.
Zu ihrem Leidwesen sah die Dame nachdem sie sich wieder berappelt hatte, dass sie mit einem Wolf zusammen in dieser Falle steckte. Trotz dessen ward ihr nichts geschehen, auch nicht nach vielen Stunden, als man sie endlich ob ihres Hilfegeschreis fand, im Gegenteil, der Wolf, so steht es geschrieben, hätte in der Ecke gekauert und sei starr geblieben.

Herr Seiler nahm diese Geschichte zum Anlass und transportierte sie auf ein Beispiel wie er seinen ersten „Wolfskontakt“ erlebt hatte.
Über Herrn Erik Zimen, dem er einen Gefallen tun wollte, „du hast doch da ein großes Grundstück zur Verfügung…könntest du dir vorstellen…?“, lebten vier „Film“-Wölfe über drei Jahre bei ihm. Bis die Tiere aus ihrem Tierpark in den Abruzzen nach Deutschland gebracht worden sind (natürlich früher als gedacht, sodass das Gehege für eben jene noch gar nicht fertig gebaut war und sie noch mehrere Tage in einem Hundezwinger – zu viert – verbringen mussten) und sie das erste Mal Futter bekamen, vergingen insgesamt neun Tage.
Selbst nach diesen neun Tagen dauerte es eine lange Zeit, bis die Wölfe im Gehege ihre Deckung verließen und sich an das Futter heran getrauthaben – kein Geknurre, (Gekläffe sowieso nicht), keine Aufregung, keine Bestie.

Diese Unsicherheit, die den Tieren selbst als „gezähmte“, also handaufgezogene Wesen anheim wohne, sei durch jahrhundertlange Jagd und Nachstellung entstanden und inzwischen angeborener, also genetisch belegbarer, Instinkt der Grauwolfpopulationen – Im Gegensatz zu zum Bespiel zu den Wölfen in Amerika (Timberwölfe) oder auch Polarwölfen, die weitaus „unbedarfter“ und „neugieriger“ gegenüber menschlicher Anwesenheit sind, da sie keine derartige Nachstellung erlebt haben, wie die Wölfe auf dem europäischen Kontinent.

Eine Handaufzucht eines Wolfes kann übrigens nur dann erfolgreich sein, wenn das Welpe innerhalb der ersten zehn Lebenstage von seiner Mutter getrennt wird.
Einen Tag zu spät und es funktioniert nicht mehr.
Dabei gab er zu verstehen, dass er es zweierlei sehe, dass sogenannte Wolfshunde gezüchtet werden. Auf der einen Seite sind die Besitzer oft überfordert (aber das träfe auf leider sehr viele „normale“ Hundebesitzer genauso zu) oder wollen nur das coole Prestigeobjekt besitzen, aber andererseits hat er ja auch schon selbst eine handaufgezogene Wölfin, „Inge“, als positiven Botschafter eingesetzt.
Auch käme es aus Ermangelung an Wissen immer wieder zu Verwechselungen von Wolfshunden mit echten Wölfen, zu welchen er auch schon mehrfach gerufen worden war.


Wölfe sind scheu, sehr scheu sogar.
Und sie verschwenden keine Energie, denn Energieverschwendung ist in der Natur nicht vorgesehen. Dabei nannte er ein Beispiel welches ihm mit „seinen“ Wölfen passiert sei:
Vor dem Gehege lag ein Apfel auf dem Boden. Die Wölfe, die seine Ankunft bereits erwartet haben, saßen in einer Reihe an dem Gehegezaun.
Irgendwie hatte Seiler das dringende Bedürfnis, den Apfel aufzunehmen und wie ein „Bällchen“ den Tieren zuzuwerfen. Diese hätten dem Apfel zwar hinterhergesehen, aber damit zu „spielen“ darauf kam keiner.
Sicher, Tierkinder „spielen“ auch mit ihren Eltern oder Geschwistern, allerdings hat da das Wort „spielen“ die Konnotation des Wortes „lernen“, welches das lateinische Wort für „spielen“ wohl auch hergebe. Frei übersetzt wird spielerisch (auf eine leichte Art) gelernt, was für das Überleben und die Existenz später einmal wichtig werden wird.
Eines dieser wichtigen Merkmale die das spätere Leben garantieren ist die Nahrungsaufnahme.

 

Die Nahrungsaufnahme ist eine Triebhandlung.
Triebhandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur dann vorübergehen, wenn die vom Körper „verlangte“ Handlung ausgeführt wird.
Am deutlichsten und einfachsten erklärt werden kann dies anhand des Sexualtriebes, der erst nach der Verpaarung quasi ein „Stop“ dem Körper signalisiert.
Wölfe und auch andere Caniden wie Füchse etc, handeln bei der Nahrungsaufnahme nach dem Schema „jagen – packen – töten“.
Erst der Tod der Beute signalisiert „Pause machen, verschnaufen und dann futtern“.

 

Nun ist es in der Wildnis so, dass Wölfe aus einer Gruppe von Tieren allenfalls eines anfallen und bis das Schema „Jagen – Packen – Töten“ vollzogen ist, die anderen Tiere der Gruppe schon geflüchtet sind. Nicht so in einem schlecht gesichertem „Pferch“ oder auf einer schlecht gesicherten Weide.
Auch hier berichtete er davon, dass er selbst einmal den Fehler gemacht habe und seine Hühner die er damals hielt in einem Gehege hatte, dass zwar eingezäunt war, aber eben nicht gegen ein Unterwühlen gesichert. Acht von zehn Hühnern hat er dadurch an den Fuchs verloren – was er diesem nicht zum Vorwurf macht, sondern eher sich selbst, denn mit seiner Erfahrung hätte er sich das denken und entsprechend dagegen absichern können. Der Fuchs habe nur das gemacht, was sein „Programm“ im Körper vorgegeben habe, nämlich „jagen – packen – töten“ bis das vermeintliche eine Beutetier (die ja mehrere sind und wild umherflattern) endlich tot ist und er fressen darf. Er sagte, dass der Fehler ganz klar bei ihm gelegen habe.

Aus diesem Grund brachte Herr Seiler noch einmal zum Ausdruck, dass es die Verantwortung der Weidetierhalter sei, ihre Tiere bestmöglich zu schützen, dabei ist es unerheblich ob es sich um eine Hobby- oder gewerbliche Haltung von Tieren handele. Es gibt Unterstützung und finanzielle Förderung und es ist auch so, dass Hobbys nun auch Geld kosten. Bedauerlich sei, dass die Unterstützung der Weidetierhalter oft sehr bürokratisch sei, dort sieht er ebenfalls Handlungsbedarf.

An dieser Stelle kam die Frage auf, ob Wölfe ihre Beute noch lebend anfressen würden, da so was in den Medien auch verbreitet wird.
Dies verneinte Seiler vehement und erklärte, dass die Beute immer erst tot angefangen wird „aufzubrechen“. Es könne vielleicht zu einer Verletzung kommen und das Beutetier könne flüchten, aber ein Wolf beiße kein Tier an und lasse es lebendig z.B. auf der Weide zurück, mit erneutem Verweis auf den oben beschriebenen Trieb, zudem töte der Wolf durch den sogenannten Kehlbiss.

Zum Schluss berichtete Herr Seiler darüber, wie unterschiedlich die verschiedenen Wolfsarten in ihrer Entwicklung doch seien, ganz besonders wie schnell die Entwicklung bei Polarwölfen von statten gehe:
„Seine“ Grauwolfwelpen konnten mit zwölf Tagen gerade mal halbwegs von A nach B tapsen, wohingegen die Polarwolfswelpen mit gleichem Lebensalter schon sicher gelaufen seien und erste Beute (in Form eines Handtuches, welches zum Füttern an der Lehne des Stuhles hing) gemacht haben, was wohl dadurch bedingt ist, dass in der Arktis keine Zeit verloren werden darf, bevor der Winter wieder zurück ist.

Herr Seiler sei er sehr dankbar über alle Erfahrungen die er mit allen „seiner“ Tiere erleben durfte. Viele Dinge, die in keinem Lehrbuch gestanden hätten, seien ihm erst durch  Beobachten und mit der Zeit verständlich geworden. Deswegen sei es ihm umso mehr ein Anliegen, dem Wolf durch fachkundige, sachliche, aber auch persönliche Erfahrungen zu mehr Verständnis zu verhelfen.

4 Gedanken zu „Unser Vortrag mit dem bekannten Wolfsforscher Toni Seiler, zusammengefasst von Mel Green

  1. Der Wolf ist und war noch NIE ein „böses“ Tier, es ist der Mensch, der das böse Wesen ist. Ich würde viel lieber einem Wolf begegnen als einem Menschen, weil der Wolf kein Interesse an mir hat, er ist AUSSERDEM EHRLICH. Beim Menschen bin ich mir nicht sicher…… Gebt dem Wolf sein Recht auf sein Leben, wie es der Mensch ebenflals verlangt.

  2. danke für diesen wichtigen und interessanten vortrag.
    leider geht die hetze jetzt auch bei uns in österreich los… die niederösterreichische landwirtschaftskammer hat sogar eine petition verfasst.https://noe.lko.at/mit-der-petition-wolf-zu-mehr-sicherheit+2500+2773617?env=c2VydmljZT1sayZfU0NSRUVOWzBdPXByZXZpZXcmbnBmX2NhY2hlPW5vJnRzPTE1MzQ5MjkzMDI
    das ist sehr schlimm. !!!
    der WWF bemüht sich um aufklärung und vermittlung.
    das kann durch eine patenschaft unterstützt werden.https://wolf.patenschaft.at
    ich hoffe sehr daß ihre und unsere bemühungen zum schutz der natur und der wölfe erfolgreich sind.
    denn auch wir menschen sind nur ein teil der natur …
    liebe grüße aus graz

  3. Absolut interessant, auch die Sache mit dem Märchen Rotkäppchen und seinem eigentlichen Hintergrund. Findet man eine Quelle zu dieser Aussage irgendwo in der Literatur ? Würde das dann gern und so oft wie möglich weitergeben.

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