Hessen: Fake-News – Kein Wolf bei über der Hälfte der Rissmeldungen
Der Jahresbericht „Wolf in Hessen für das Jahr 2023“ entlarvt einen massiven Lobbyismus, der Wölfe an den Pranger stellt. Bei über der Hälfte der Rissmeldungen stellte sich heraus, dass gar kein Wolf beteiligt war. Zudem „verschwinden“ Wölfe im großen Stil. Politiker sprechen davon, dass sie mit der Aufnahme ins Jagdrecht in Hessen die „Akzeptanz“ erhöhen wollen, und tun gleichzeitig scheinbar alles dafür, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu untergraben. Ist es der Landesregierung Recht, wenn Bauern Wölfe hassen, statt die Agrarpolitik infrage zu stellen? Lesen Sie hier unseren Bericht.
In Hessen gab es 2023 gerade mal sieben Wolfsterritorien. Die Tendenz ist zwar noch immer steigend, doch das Bundesland, das zu den waldreichsten in Deutschland gehört und das wesentlich mehr Wölfe ein Zuhause bieten könnte, liegt damit weit abgeschlagen hinter Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Gerade mal drei Rudel (Rüdesheim, Waldkappel, Wildflecken) kein Paar und vier Einzelwölfe konnten sich 2023 nach den offiziellen Daten halten. Eine Wölfin im Stölzinger Gebirge „verschwand.“
Nach unseren internen Daten von Wolfsschutz-Deutschland e. V. verschwand auch ein Rudel im Spessart. Die Wölfin „Frigga“ wurde dort am Ansiedeln gehindert. Von vermeintlich niedergelassenen Wölfen im Odenwald konnte sich keiner halten.
In den offiziellen Daten „verschwand“ auch die Partnerin des territorialen Rüden „Butzi“ im Revier Butzbach im Osttaunus. Nach unseren Daten für 2024 ist auch Butzi nicht mehr nachweisbar. Praktisch nebenan befindet sich eine Hochburg des Lobbyismus.
In Hessen gibt es ein regelrechtes Netzwerk von Haterseiten und Seiten, die versuchen, Panik zu verbreiten. Praktisch rund um die Uhr werden im Netz Fake-News verbreitet. Zu dem Netzwerk gehören einflussreiche Personen und auch Rechtsanwälte. Dieses Netzwerk bezahlt zudem Trolle, die Hetze und Aufrufe zu Gewalt an Wölfen und Wolfsfreunden im Netz verbreiten. Einige Menschen sehen hierin eine Art Freibrief auf Naturschützer und Wolfsfreunde im realen Leben loszugehen. Auch wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. erleben immer wieder solche Situationen. Doch sogar auch Veranstaltungen der Behörden mussten wegen aggressivem Verhalten von Aufgehetzten abgebrochen werden.
Teilweise werden die Bauern und Jäger aber auch mit falschen Versprechungen geködert. Eine Aufnahme ins Jagdrecht änderst zunächst nichts am strengen Schutzstatus der Wölfe in Deutschland. Ist der Wolf im Jagdrecht, tritt automatisch eine ganzjährige Schonzeit in Kraft. Freilich wäre dies anders, wenn der Schutzstatus zurück gesetzt werden würde. Und daran wird von Seiten der Politik aller Parteien auch europaweit gearbeitet. Viele Politiker sind selbst Jäger und haben ein Eigeninteresse daran, Wölfe zu schießen.
Hier einige besonders kernige O-Töne von hessischen Politikern:
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Wiebke Knell bezeichnete die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht als „gute Nachricht“. Die Liberalen hätten dies seit Jahren gefordert, die Umsetzung sei überfällig.
Der AfD als größter Oppositionspartei geht der Gesetzentwurf zum Jagdrecht nicht weit genug: Sie fordert eine ganzjährige Bejagung der Raubtiere. Der Wolf sei in seiner Art weltweit nicht gefährdet, sagte der Abgeordnete Johannes Marxen.
Boris Rhein (CDU) will den Wolf bejagen lassen. Im Sofortprogramm der Hessischen Landesregierung steht der Punkt auf der Prioritätenliste: Der Wolf soll in Hessen nicht nur nach Viehrissen geschossen werden dürfen, sondern nach den gleichen Regeln, wie Rotwild und Wildschweine auch.
Der jagdpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Maximilian Ziegler, setzte den Wolf mit der Sicherheit von Menschen in Bezug, obwohl es keinen einzigen Angriff auf Menschen gab. „Der Wolf ist zurück in Hessen und das sorgt für gemischte Gefühle. Manche freuen sich, andere sind besorgt. Und beides ist verständlich. Unsere Aufgabe als politisch Verantwortliche liegt darin, diese Sorgen ernst zu nehmen und Lösungen zu finden, die den Wolf schützen, aber auch dem Menschen mehr Sicherheit geben. Hierzu schaffen wir nun rechtssichere Rahmenbedingungen, die auch in der Praxis funktionieren.“ Dabei habe die Anhörung zum Jagdgesetz den Gesetzentwurf von CDU und SPD bestätigt. Zum einen brauche ein dicht besiedeltes Bundesland wie Hessen die Möglichkeit, Wölfe zu entnehmen.
Hans-Jürgen Müller, Sprecher für Jagd der GRÜNEN Landtagsfraktion:
„Wir GRÜNE sind einverstanden mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht. Der Abschuss von Problemwölfen muss erleichtert werden, um die Sorgen der Weidetierhalter*innen anzugehen.“
Falschmeldungen und null Bock auf Schutz
Laut des Jahresberichtes waren insgesamt 61 Meldungen potenzieller Nutztierrisse (66,3 %) Falschmeldungen oder nicht bewertbar. Ein Großteil des Fördertopfes wurde, wie in anderen Bundesländern auch, nicht abgerufen.
Die Bereitschaft der Weidetierhalter, die aufwändigen Herdenschutzmaßnahmen umzusetzen, sei noch zu gering, heißt es im Jahresbericht. Allerdings ließe sich durch den sogenannten Grundschutz das Risiko eines Übergriffes erheblich reduzieren. Was im Klartext heißt, dass in vielen Fällen nicht einmal 90-Zentimeter-Standartnetze zum Einsatz kommen.
Bei 26 der 38 Übergriffe auf Schafe und Ziegen wurden die Anforderungen an den Grundschutz nicht erfüllt. In acht Fällen seien die Tiere während des Übergriffs durch Grundschutzmaßnahmen geschützt und bei vier Übergriffen waren die Schutzmaßnahmen zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht (mehr) bewertbar.
Bei acht weiteren Fällen erfolgten die Übergriffe auf Tierarten, bei denen keine Anforderungen an Grundschutzmaßnahmen bestehen würden.
Im Jahr 2023 seien bei den zuständigen Regierungspräsidien 18 Anträge auf Auszahlung von Billigkeitsleistungen eingegangen. Neun der 18 Anträge wurden Laut HLNUG bewilligt und es wurden insgesamt 8 075,46 Euro an Billigkeitsleistungen an die Tierhaltenden ausgezahlt. Bei 26 der 38 Übergriffe auf Schafen und Ziegen sei der nach Weidetierschutzrichtlinie definierte Grundschutz nicht erfüllt gewesen, so dass die Tierhalter in den Fällen nicht antragsberechtigt waren.
Die wahren Probleme in der Landwirtschaft müssen also ganz woanders liegen. Wie in anderen Bundesländern auch, haben es kleine und mittlere Betriebe schwer, sich über Wasser zu halten, weil nach Größe von Flächen gefördert wird. Auch das Interesse an Schaffleisch und Wolle sinkt immer mehr. Freilich kann es bestimmten Politikern nur Recht sein, wenn Bauern statt Unmut über die Politik zu entwickeln, sich stattdessen hauptsächlich mit dem gelenkten Hass auf Wölfe beschäftigen.
Breit gefächerte Antiwolfskampagnen können aber nur ihr Ziel finden, weil viele Lokal- und auch bundesweite Medien mitmachen. Statt engagiertem Journalismus erwartet die Leser oft Hofberichterstattung. Sicherlich wird auch der Jahresbericht Wolf von den Medien unter gänzlich anderen Gesichtspunkten als den unseren veröffentlicht werden. Gerade deshalb ist es wichtig, solche Inhalte wie die unseren zu teilen.
Hier der komplette Jahresbericht Wolf 2023:
Wir freuen uns über Unterstützung:
Wolfsschutz-Deutschland e.V. ist eine gemeinnützige Organisation, die sich der Aufgabe verschrieben hat, Wölfen in Deutschland die Zukunft zu sichern.
Trotz ihres weiterhin strengen Schutzstatus werden Wölfe in Deutschland illegal gejagt und getötet. Diese Abschüsse gefährden nicht nur einzelne Tiere, sondern auch die gesamte Population und das Ökosystem, in dem sie eine zentrale Rolle spielen. Auf keinen Fall dürfen hier bei uns in Deutschland bald Schweizer Zustände herrschen.
Die Arbeit von Wolfsschutz-Deutschland e.V. ist für den Erhalt der Wölfe von unschätzbarem Wert. Doch diese wichtige Arbeit ist nur durch die Unterstützung von Menschen wie Ihnen möglich. Jede Spende zählt – egal, ob groß oder klein. Ihre finanzielle Unterstützung ermöglicht es dem Verein, weiter für die Wölfe zu kämpfen, zu dokumentieren und Aufklärungsarbeit zu leisten.
Sie unterstützen damit eine von Regierungs- und Lobbygeldern wirklich unabhängige Organisation, die unermüdlich daran arbeitet, dass die Rückkehr der Wölfe in unsere Landschaften ein Erfolg wird – für die Natur, für die Artenvielfalt und für kommende Generationen.
Wolfsschutz-Deutschland e.V.
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Auch Paypal ist möglich: https://wolfsschutz-deutschland.de/spenden-2/