Fünf überfahrene Wanderwölfe in NRW rufen Hater auf den Plan
Neben der illegalen Verfolgung wird der Straßenverkehr für Wölfe immer gefährlicher. Im ersten Halbjahr sind schon fünf Wölfe in NRW überfahren worden. Sie kamen allesamt nicht aus NRW und für die Saison 23/24 ist für NRW kein einziges Territorium bislang bestätigt. Dennoch ufert der Hass immer mehr aus. Wir gehen in unserem Artikel der Sache auf den Grund.
Im Jahr 2022/23 wurden für ganz NRW lediglich zwei Rudel und drei territoriale Einzeltiere nachgewiesen. Für das Wolfsjahr 23/24 gibt es bislang keine einzige offizielle Territoriumsbestätigung auf der Statistikseite der DBB-Wolf. Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. hatten im vergangenen Jahr lediglich zwei Wolfswelpen im Territorium Schermbeck nachgewiesen, wobei das Rudel Leuscheid zwischen Rheinland-Pfalz und NRW hin und her wechselt. Die Wölfe im hohen Venn werden in Belgien gelistet.
Nordrhein-Westfalen ist mit einer Fläche von 34 112 Quadratkilometern das viertgrößte Bundesland in Deutschland. Auf dieser riesigen Fläche sind also höchstens 25 Wölfe beheimatet gewesen. Wie es in diesem Jahr aussieht, ist völlig unklar.
Laut einer aktuellen Pressemitteilung des LANUV konnte die Herkunft von fünf in NRW überfahrenen Wölfen aufgeklärt werden. Am 28. Februar 2024 verunfallte ein männlicher Welpe mit der Kennung GW3979m bei Bünde (Kreis Herford). Sein Herkunftsrudel konnte nicht ermittelt werden.
Der weibliche Altwolf GW3980f wurde am 05. März 2024 in Xanten (Kreis Wesel) tot aufgefunden. Sie stammte aus dem Rudel Noord-Veluwe in den Niederlanden.
In Verl (Kreis Gütersloh) wurde der männliche Welpe GW4095m am 23. März 2024 in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt. Seine Herkunft ist das Rudel Göhrde in Niedersachsen.
Auf der Autobahn A61 bei Erftstadt (Rhein-Erft-Kreis) kollidierte der männliche Welpe GW4144m am 05. April 2024 mit einem LKW. Er stammte aus dem Rudel Hohes Venn Süd in Belgien.
Nur einen Tag später, am 06. April 2024, kam eine Wölfin auf der Autobahn A560 bei Hennef (Rhein-Sieg-Kreis) ums Leben. Sie erhielt die Kennung GW4145f. Ihre Herkunft ist das grenzübergreifende Rudel Eckertal zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Bedingt durch die schwere Beschädigung des Tierkörpers ist eine genaue Altersbestimmung nicht möglich gewesen. Aufgrund der bekannten Historie des Herkunftsrudels steht aber fest, dass es sich bei diesem Tier nur um einen Welpen (1. Lebensjahr) oder einen Jährling (2. Lebensjahr) gehandelt haben kann.
Es sind allesamt wandernde Wölfe auf der Suche nach einem Revier betroffen gewesen. Die allermeisten von ihnen schaffen es nicht. Nicht einmal 30 Prozent der Jungtiere überleben die ersten Jahre. Dennoch wird gerade in NRW massiv Stimmung gemacht und Panik geschürt.
Propaganda gegen Wölfe im großen Stil
Auffallend ist es, dass die schlimmsten Hassatacken und Äußerungen nicht von Schäfern oder Nutztierhaltern verfasst werden, sondern von Reiterinnen. Dabei trauen viele oft gerade Frauen nicht zu, dass sie dermaßen drastisch reagieren könnten. Fakt ist allerdings, dass die Reiterszene tatsächlich wenig bis gar nicht von Wolfsrissen betroffen ist. Viel mehr Pferde kommen durch Übergriffe von Pferderippern oder Fehlschüssen durch Jäger zu Tode oder zu Schaden, als durch Übergriffe von Wölfen. Erst im Mai 2024 gibt es einen aktuellen Pferderipperfall im Münsterland. Wir berichten hier über weitere Fälle: https://wolfsschutz-deutschland.de/2021/01/14/angriffe-auf-pferde-280-irren-rippertaten-stehen-nur-16-wolfsangriffe-gegenueber-abschussforderungen-von-pferdehaltern-unverhaeltnismaessig/
Im Bereich Pferd und Pferdezucht wird sei Jahren professionell Propaganda gegen Wölfe betrieben. Ganz vorne mit dabei ist die WELT, deren Herausgeber Stefan Aust selbst Pferdeaffin ist. 2019 erschien ein Artikel in der CAVALLO über seine Leidenschaft als Pferdezüchter. „Der Wolf ist das Sinnbild einer naiven Natur-Glorifizierung“, lautet ein Artikel vom 22.11.2021. Im vergangenen Jahr führte Aust im eigenen Sender die Landesvorsitzende der Tierschutzpartei Brandenburg vor. Ein härterer Gegner mit stärkeren Gegenargumenten war nicht gewünscht? Unklar. Fakt ist aber, dass gerade Interessensgruppen, die über Macht und Geld verfügen, viele Antiwolfsartikel in den großen Medien lancieren können. Es ist kein einziger Artikel bei der WELT zu finden, der neutral oder gar pro Wolf berichtet. Schon 2016 hieß es „Die Rückkehr der Wölfe ins Land der Ahnungslosen.“ 2023 wird im Sender der WELT sogar mit Kriegsrhetorik getitelt: „Kriege alle paar Tage Videos, worin Wölfe über Schafe, Rinder, Pferde hergefallen sind“. Am 30. Juni kam ein WELT-Video mit dem Titel „NORDERNEY: Wolf-Alarm! Wildes Raubtier versetzt Insel in Panik – Wie sicher sind die Bewohner noch?“ heraus.
Solche Überspitzungen und maßlosen Übertreibungen sind Propaganda zuzuordnen und auch sehr schnell identifizierbar. Doch leider scheinen gerade Reiterinnen besonders anfällig für diese Art der Panikmache zu sein. Auch prominente Pferdetrainer machen mit:
Als Beispiel nehmen wir hier ein Videointerview auf Youtube mit dem prominenten Pferdetrainer Bernd Hackl, der hier nicht nur jede Menge Fake-News und Panikmache betreibt, sondern auch erzählt, dass er Kriminelle decken würde.
Ab Minute sechs erzählt der bekannte Pferdetrainer Bernd Hackl in einem Youtube-Video von einer Begegnung mit einem Bauern in Niedersachsen. Dieser hätte Hackl ganz offen erklärt, dass er vergiftete Köder für Wölfe ausgelegt hätte und dass Hackl auf seine Hunde aufpassen sollte. „Wir haben nämlich Giftköder gelegt für den Wolf!“ Zeigte Hackl diesen Bauern an? Unwahrscheinlich.
Ab Minute 8.45 O-Ton Hackl: „Jetzt fangen wir sie ja auch an zu erschießen (die Wölfe) und dann, wenn wir es nicht tun, dann reguliert sie jemand anders!“
Ab Minute 10.46 O-Ton Hackl: „Was haben sie (die Pferdehalter) gemacht? Sie haben diesen Vorfall nicht gemeldet und sie haben diesen Wolf verschwinden lassen…Die haben sich gesagt für so einen Riss kriegen wir 300, 400 Euro, sei´s drauf gesch…lass uns dieses Ding aufspüren, finden, erledigen, Thema erledigt…Ich kann das vollkommen verstehen.
O-Ton Hackl ab Minute 10.50: „Wenn das mein Hof ist, meine Kinder spielen, dann ist der fällig. Thema erledigt.“ Die Moderatorin: „Ja gebe ich Dir Recht!“
Dabei weiß Hackl genau. dass es sich um Straftaten handelt, denn er sagt, dass er genau deswegen keine Namen nennt. O-Ton, ab Minute 16.20. „Wir spüren den Nachwuchs auf und bringen den um!“
Schuld seien die, die Sturm laufen gegen die „Regulierung“. …“Denn wenn mir nicht geholfen wird, dann helfe ich mir halt selbst.“
Hier der Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=PA4C1xBvgec
Wirtschaftsfaktor mit Einfluss
Mehr als 10.000 Firmen, Handwerksbetriebe und Dienstleistungsunternehmen sind laut der Landwirtschaftskammer NRW direkt oder indirekt der Pferdewirtschaft zuzuordnen (FN, Stand 2018). In NRW wurden 2019 allein rund 2160 Pferdebetriebe mit mehr als 20 Pferden registriert (Tierseuchenkasse, Stand: 1.1.2019). Der Umsatz der deutschen Pferdewirtschaft liegt bei geschätzten 6,7 Milliarden Euro. Darunter fallen 39 Prozent der Ausgaben auf den Bereich Pferdehaltung (FN, Stand 2018).
Werden bei den höchstens 20 Wölfen in NRW noch 20 Wanderwölfe hinzu gezählt, ist es sachlich argumentaiv nicht haltbar, dass Wölfe die Pferdehaltung in NRW gefährden würden.
Beispielfoto Jungwölfin. © Brigitte Sommer
Hassreaktionen
Leider scheint die Saat des Hasses gerade in NRW aufzugehen. In den sozialen Netzwerken gibt es jede Menge Trolle, die für die Weiterverbreitung von Hetze bezahlt werden, aber es gibt auch Menschen, die alles glauben und sich rund um die Uhr nur noch mit ihrem irrationalen Hass auf Wölfe beschäftigen. Hier Reaktionen auf die Pressemitteilung über die Herkunft der überfahrenen Wölfe in NRW bei einem einschlägigen Antiwolfspropagandisten.
Rissprovokationen und Falschmeldungen
Nur 25 bestätigte Risse wurden im ersten Halbjahr in ganz NRW dokumentiert, dazu noch 11 Falschmeldungen sowie 28 Fälle sind in Bearbeitung. Ein Schwerpunkt des Hasses liegt im Territorium Schermbeck mit der dort beheimateten Wölfin Gloria von Wesel. Ihr wurde der Riss von sechs Schafen nachgewiesen. Wir von Wolfsschutz-Deutschland e. V. weisen dagegen seit Jahren sehr viel mehr Rissprovokationen nach. Hier im Territorium Schermbeck gab es auch tatsächlich Pferderisse, doch die Tiere waren alt und krank und sie standen zudem weit abseits ohne Schutz. Warnungen von uns wurden ignoriert. Hier ein Beispiel: https://wolfsschutz-deutschland.de/2021/10/25/weitere-tote-ponys-in-nrw-alle-warnungen-zu-rissgefahren-ab-august-ignoriert/
Wir berichten direkt vor Ort, damit sich unsere Leserinnen und Leser selbst eine Meinung bilden können, denn in Zeitungsberichten fehlen Fotos von den Zaunsituationen vor Ort und es wird auch oft nicht geschrieben, ob denn überhaupt geschützt war. In der Nähe dieser Weide gab es Risse von Schafen dieser Rasse.
In NRW werden Wölfe massiv illegal verfolgt. Seit die Jäger dort das Wolfsmonitoring übernommen haben, wird von Seiten von Naturschutzverbänden kritisiert, dass es keine verlässlichen Monitoringdaten geben würde.
2023 fand der Landesjägertag in Neus statt. Präsidentin des Landesjagdverbands NRW, Nicole Heitzig, betonte, wie wichtig ein angemessenes Wolfsmanagement für NRW und Deutschland sei. „Kein vernünftiger Mensch möchte den Wolf ausrotten“, wurde Heitzig in der PIRSCH zitiert. „Die drängenden offenen Fragen müssen aber endlich geklärt werden.“ Dafür erntete die LJV-Präsidenten im ganzen Saal Beifall.
Bei den besorgniserregenden Bestandsdaten zu Wölfen in NRW klingt dies geradezu lächerlich. Müssten nicht die Jäger, wenn sie ernsthaft an einer Diskussion über „Bestandsregulierung“ interessiert wären, verlässliche Monitoringdaten liefern? Fakt ist es wohl, dass der Bestand an Wölfen in NRW überhaupt nicht gesichert ist.
Erst im Januar 2024 wurde ein erneuter Schießbefehl auf Wölfin Gloria von einem Gericht gekippt. Zum Ärger des grünen NRW-Umweltministers Krischer, der glaubte, gerade im Dezember als Vorsitzender der Umweltministerkonferenz die Voraussetzungen für einen erleichterten Abschuss von Wölfen geschaffen zu haben. Wir kündigten Ende April bereits den nächsten Vorstoß an: https://wolfsschutz-deutschland.de/2024/04/25/nrw-wolfsgebiet-schermbeck-neue-schiessgenehmigung-auf-gloria-in-vorbereitung/
Mit den neuesten tendenziösen Zeitungsartikeln und dem Schüren von weiterem Hass sollen nun wahrscheinlich Sympathien für die nächste Abschussverfügung geschaffen werden. Allerdings dürften immer mehr Menschen merken, wie grotesk überzogen hier die Beteiligten reagieren.
Quellen:
https://wolf.nrw/wolf/de/aktuelles/2024-07-09
https://wolf.nrw/wolf/de/nachweise
https://wolf.nrw/wolf/de/nachweise
https://www.youtube.com/watch?v=d65lNtBUihA
https://www.cavallo.de/medizin/auf-einem-anderen-blatt/
https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/tierproduktion/Pferdehaltung/index.htm
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