Großer Faktencheck Lausitz – Nach 20 Jahren Wölfe in Sachsen ist Herdenschutz noch immer ein Fremdwort

 

 

Wölfe schwimmer gerne
Wölfe sind gute Schwimmer, das zeigen hier unsere Joungster aus der Lausitz.

Es ist nun fast zwanzig Jahre her, dass die erste Wolfsfamilie aus Polen wieder in Sachsen eingewandert ist und sich in der Lausitz niedergelassen hatte. Viele Menschen dort sind sich zwar sicher, dass der Wolf in Sachsen nie wirklich weggewesen ist. Unstrittig ist jedoch, dass Sachsen von allen Bundesländern in Deutschland die meiste Erfahrung mit dem Schutz der Weidetiere haben müsste.

Wie kann es also sein, dass es noch immer die Ausnahme zu sein scheint, seine Tiere angemessen zu schützen? Diese Jungwölfe in der Lausitz haben wir mit Hilfe einer unserer Wildkameras beobachtet. Geradezu lehrbuchmäßig zeigen sie uns hier, dass sie sehr gute Schwimmer sind und dass ein Bach oder Graben für Wölfe wirklich gar kein Hindernis darstellt.

 

Die komplette Rissliste 2019 gibt es hier: https://www.wolf-sachsen.de/images/Schadensstatistik/Schadensstatistik_2019_Stand_20190405.pdf

Warum werden die Fördermöglichkeiten nicht genutzt?

Wir haben uns deshalb auch mal die neuesten Nutztierschäden in Sachsen angeschaut. In 15 Fällen war überhaupt kein Wolf beteiligt oder aber die Tiere waren gar nicht geschützt. In zwei Fällen war die Bachseite offen gelassen worden. Dabei schriebt das BIL (Bewilligungsstelle Investitionsförderung Landwirtschaft) bereits im Januar 19 folgendes: 

Förderung des präventiven Herdenschutzes zur Vermeidung von Nutztierschäden

Im Freistaat Sachsen werden Präventionsmaßnahmen gefördert, die dem Schutz von Schafen und Ziegen sowie Wild in Gattern dienen. Dies gilt sowohl für Hobbyhalter, als auch Tierhalter im landwirtschaftlichen Haupt- oder Nebenerwerb und umfasst den gesamten Freistaat Sachsen. Hintergrund für die Ausweitung des Fördergebietes auf den gesamten Freistaat ist die zu erwartende weitere Ausbreitung der Wölfe in Regionen, in denen sie bisher nicht dauerhaft anwesend waren.
Die Anschaffung folgender Maßnahmen zum Herdenschutz ist förderfähig:
– mobile Elektrozäune
– Breitbandlitzen („Flatterband“ als Übersprungschutz)
– Herdenschutzhunde
– Unterwühlschutz bei Wildgattern (inkl. Installationsleistung)
Die oben genannten Maßnahmen fallen unter den Punkt E „Vorhaben zur Prävention vor Wolfsschäden“, Förderrichtlinie „Natürliches Erbe“. Ab sofort können die Investitionskosten in voller Höhe erstattet werden, da die Europäische Kommission am 11. Januar 2019 die Anhebung der Förderung für Investitionen in den Schutz von Schafen, Ziegen und Gatterwild vor Wölfen auf 100 Prozent der Anschaffungskosten genehmigt hat. Bewilligungsbehörde ist das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Wichtig ist, dass vor Anschaffung der Herdenschutzmaßnahmen erst ein Antrag bei der Bewilligungsbehörde eingereicht werden muss!

Doch Kretschmer und Lange fordern trotz besseren Wissens Wolfsabschüsse

Angesichts der wachsenden Zahl von Wölfen in Ostsachsen und damit einhergehender Probleme müsse der Bund nach Ansicht des Görlitzer Landrats Bernd Lange „dringend handeln,“ schrieb die Sächsische Zeitung am 04.04.19. https://www.saechsische.de/goerlitzer-landrat-fordert-regulierung-des-wolfs-5054379.html  Die SZ weiter: „Jedes politische Nichthandeln nährt Populismus und Radikalismus“, sagte der CDU-Politiker. Die Wolfspopulation im Norden des Landkreises sei mit mehreren Rudeln auf vier Quadratkilometern mittlerweile dichter als von Experten für möglich gehalten. Die Menschen verlören die Geduld angesichts der Ignoranz gegenüber ihrer Situation und der Uneinigkeit in der Bundesregierung, die Bundesartenschutzgesetz und EU-Verordnung blockiere. „Dabei geht es nicht um Totalabschuss, sondern um eine Regulierung.“ Zitat Ende.

Dabei hatte doch die EU im September 18 ganz deutlich gemacht, dass Wölfe sich nicht unkontrolliert vermehren und ihr Bestand sich in Sachsen sogar gesättigt hat. Auch verwies die EU noch einmal ausdrücklich auf die Notwendigkeit, den Herdenschutz endlich anzugehen. Schreiben EU Kommission an Landratsamt Bautzen wg. Schutzstatus Wolf

Doch passiert ist wenig. Stattdessen versucht Ministerpräsident Kretschmer anscheinend seinen Landrat noch mit populistischen Forderungen zu übertreffen. So schreibt die Lausitzer Allgemeine Zeitung heute in einem Meinungsartikel, der nicht als solcher gekennzeichnet worden ist:  Zitat – „Das (Thema Wolf) ist ein unhaltbarer Zustand. Die Menschen leiden wirklich unter dem Wolf und verlangen nichts anderes, als das genau die gleichen Regeln wie in den baltischen Ländern, in Schweden und Finnland gelten, die auch seit  Jahrzehnten Erfahrung mit dem Wolf haben.“ So der Politiker Michael Kretschmer, (noch) Ministerpräsident von Sachsen. Die Aussagen sind prinzipiell richtig, nur leider fehlt die dazugehörige Glaubwürdigkeit. Der Wolf lebt schon seit Anfang der 2000er Jahre in der Lausitz und vermehrt sich nahezu unkontrolliert. Die Probleme mit dieser Tierart nehmen genauso rasant zu, wie die Wolfspopulation.“ Zitat Ende.  https://www.lausitzer-allgemeine-zeitung.org/wolfspolitik-die-falschen-versprechen-im-wahlkampf/?fbclid=IwAR2UVZwdY8ZIFMLiQrRiOhkzHlBq2Oor7fV8CtRh49o1jkGlASnvy3rTvuM

Die Ausssagen Kretschmers stehen im krassen Gegenzug zu dem, was die Wissenschaftler des Kontaktbüros, das Landrat Lange unterstellt ist, herausgefunden hatten.  Siehe Schreiben der EU:

 

 

Weidetierhalter provozieren weiter Wolfsrisse

Wir haben uns eine Weide bei Schäfer W., der zugleich auch Jäger ist, mal genauer angeschaut. Erst vor wenigen Wochen brachte der MDR einen Artikel, in dem der Jäger-Schäfer wörtlich zitiert wurde, dass er trotz 100 % Förderung die Wölfe in der Lausitz abgeschossen bekommen will. Unsere Zaunkontrolle ergab, dass sein Zaun nur den Anschein hat, wolfsabweisend zu sein. Jeweils nur eine Litze führte hier Strom. die höchste Spannung betrug dabei 2.000.

Keinerlei Spannung auf der unteren und zweitoberen Litze.

 

An der unteren Litze ist gar keine Spannung.
An einer mittleren Litze haben wir 2.000 gemessen.

12 Gedanken zu „Großer Faktencheck Lausitz – Nach 20 Jahren Wölfe in Sachsen ist Herdenschutz noch immer ein Fremdwort

  1. Es ist schon erstaunlich wie offensichtlich Jäger und Landwirte eigenen Schaden in Kauf nehmen, um den Wolf in ein schlechtes Bild zu setzen. Zäune die auf der unteren Litze keinen Strom führen oder fehlende Absicherungen zum Fließgewässer, obwohl jedem bekannt ist das Hunde gut schwimmen können. Warum sollen Wölfe das nicht können ? Bin schon jetzt gespannt wann die Kampagnen gegen den Goldschakal beginnen. Ich weiß eine: laßt den Wolf in Ruhe, der ist der größte Feind des Goldschakals.

  2. Danke für die tollen Kamerabilder und den klasse Artikel.
    Hoffentlich sind Lange und Kretschmer bald weg vom Fenster; die permanente Verdrehung der Tatsachen dieser „Politiker“ ist ja nicht auszuhalten, der Freistaat dreht frei, wie es scheint. Schlimm, was diese Realitätsferne anrichtet und schlimm, das Staat und Land Politik mit Ignoranz und Lügen verwechseln (dürfen).

  3. Die Fördermittel werden m.E. kaum genutzt, da das Aufstellen von entsprechenden Schutzzäunen ja arbeitsintensiver als der „normale“ ist . Und außerdem kommen ja noch Stromkostendazu.

  4. Es gibt keine objektivenm Gründe für dieses verhalten – es ist ein idiotischer Machtkampf, der stur ausgetragen wird und auf einem bewährten Beziehungsmuster beruht: der eine schießt gern und der andere bewegt ungern seinen Hintern für etwas, das er gar nicht erst kennenlernen will. Ich kenne diese Mentalität aus Erfahrung.

  5. Radikalismus ist doch nur von Seiten der Wolfsgegner zu erwarten bzw. fest zu stellen. Wir Natur Schützer kämpfen mit legalen Mitteln und fair für die Wölfe! Dass nun ein Mensch, wie der Landrat Lange immer noch nicht aufgibt zeigt, wie besessen er vom Töten dieser Spezies und scheinbar auch total kompromisslos ist. Die immer noch in verschiedenen Medien vertretene Version, dass sich Wölfe ungehindert vermehren, scheint wohl nie zu verstummen. Das Jägerlatein hält sich bis hin zu den kleinsten Tageszeitungen. Ein ähnlicher Artikel erschien vor kurzem , von einem Jäger verfasst ( wie sollte es auch anders sein?), in unserer Tageszeitung, den ich umgehend mit einem Leser Brief korrigierte. Ich denke, dass jeder Einzelne Natur Schützer gegen die Schmier Presse etwas tun kann, wenn er sich in das Thema Wolf vertieft und die Ammen Märchen seitens der Jäger und /oder Schäfer öffentlich richtig stellt. Viele Menschen kennen nur die Version der Medien und kaum Gegen Darstellungen in der Presse. Hier ist dringend noch Bedarf vorhanden. Dass man dann von Wolfsgegnern (Jägern/Schäfern) als Tier Schützer ins negative Licht gestellt wird, damit muss und kann man leben. Außer dieser negativen Erfahrung habe ich eine positive Resonanz vom Chef Redakteur in Form eines Anrufes erhalten, der darauf hin einen Reporter zu mir schickte. Wir haben uns über zwei Std. unterhalten und ich habe ihm einige Antwort Schreiben von UM Schulze, Umwelt Kommissar Vella, Dt.Presserat u.a., Artikel „Schäfer Rebre: Der mit dem Wolf lebt“ gezeigt. Der Journalist war beeindruckt, weil er Dinge erfuhr, die er vorher so noch nicht gehört hatte. Nun bekam ich erneut einen Anruf und erfuhr, dass der Chef Redakteur eine größere Aktion startet, bei der verschiedene Menschen ihre Meinung über den Wolf öffentlich kundtun dürfen und diese mit dem Foto der Person unterstrichen werden soll. Meiner Bitte, den Wild Biologen, Jan Olsson, bei der großen Umfrage mit ins Boot zu holen, ist die Redaktion auch nach gekommen. Ich freue mich, dass jetzt endlich auch einmal Wolfsschützer zu Wort kommen dürfen und hoffe, dass das alles dazu bei trägt,ein anders Bild des Wolfes in die Öffentlichkeit zu bringen.

  6. Ich finde dieses Verhalten von Weidetierhalter absiolut verantwortungslos gegenüber ihren Tieren. diesen Leuten sollte man die Tierhaltung per Gerichtsruteil verbieten. wir lässti sich das mit dem tierschutz vereinbaren. Meiner Meinung nach .. gar nicht!

  7. Es gibt wohl einen ganz einfachen Grund, warum die Halter ihre Herden nicht schützen: eben weil alles bezahlt wird, inklusive eventueller Schäden. Den Haltern sind ihre Tiere offensichtlich völlig egal, und die Existenz der Wölfe kommt ihnen als Einnahmequelle natürlich sehr gelegen, da ihnen bei einem Wolfsriss der Schaden erstattet wird. Im Übrigen bringen Zäune wenig bis gar nichts gegen Wölfe – im Gegenteil: da den Schafen innerhalb der Umzäunung jede Fluchtmöglichkeit genommen wird, kommt es hin und wieder zu ansonsten für Wölfe untypischen Massakern, während bei freilaufenden Schafen vielleicht eines gerissen wird. Der effektivste Schutz vor Wölfen sind und bleiben Herdenschutzhunde, die natürlich je nach Herdengröße in ausreichender Anzahl vorhanden sein müssen. Aber das hieße für die Halter (Schäfer möchte ich sie nicht mehr nennen) ja zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, und die laufenden Kosten schmälern ihren Profit.
    Wie auch immer, solange die Nutztierhalter von vorne bis hinten subventioniert werden und ihr Eigenkapital nicht für den Schutz aufwenden müssen, wird sich nichts ändern.

  8. den vorausgehenden Kommentaren stimme ich voll zu, das ist auch meine Meinung. Weiter für die Wölfe kämpfen, das ist das Gebot der Stunde!

  9. Eine super Nachricht vom IFAW:Der Schutz der Weidetiere vor dem Wolf ist in Norddeutschland etwa aufgrund des Windes eine besondere Herausforderung für Schäfer. Mit 6.000 Euro unterstützt der IFAW einen Praxistest in Schleswig-Holstein, der das einfachere und schnellere Verlegen von so genannten Litzenzäunen ermöglicht. Diese wolfsabweisenden Zäune halten nicht nur den nordischen Winden stand, sondern wehren auch Wölfe ab.

  10. Original Mitteilung aus dem News Letter von IFAW – Fortsetzung aus meinem ersten Beitrag.
    Vorbildlich vom IFAW und nachahmenswert! Ob das UM Jan Albrecht noch zur Räson bringen kann?

    Herdenschutz auf vier Rädern – Schleswig-Holstein fördert technische Innovation bei der Weidesicherung
    Schäferin Uta Wree stellt das vom IFAW finanzierte Wickelsystem ein.
    Montag, 25 März, 2019
    Fahrdorf
    Der Wolf stellt Norddeutsche Schäfereien vor eine besondere Herausforderung. Im Interesse des Bodenschutzes werden die Schafe im Winter oft in Kleingruppen gehalten. Bei jedem Weidewechsel müssen unzählige Pfähle in den Grund getrieben und viele Kilometer stromführender Draht verlegt werden. Diese Knochenarbeit ist für Schäfer*Innen nichts Neues. Nur reicht ein Draht heute nicht mehr. Der schreckt zwar Schafe vom Ausbruch ab, hält aber keinen Wolf fern.

    Um ihre Herden auch vor dem Wolf zu schützen hat Schäferin Uta Wree aufgerüstet. Ihr Quad ist jetzt mit einem Spezialaufbau ausgestattet. Der verlegt vier Drähte gleichzeitig auf besondere Pfosten, die selbst den nordischen Winden standhalten. Im ersten Praxistest hat sich die neue Technik bei Bau wolfsabweisender Zäune bewährt. Der International Fund for Animal Welfare (IFAW) ermöglichte den Versuch mit einem Investitionszuschuss in Höhe von 6.000 Euro. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Bundesverband Berufsschäfer e.V. entwickelt und von Uta Wree umgesetzt.

    Aufgrund der guten Ergebnisse hat das Land Schleswig-Holstein nun eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Sie soll den ferngesteuerten Einsatz des Systems prüfen. Im Erfolgsfall ist die Entwicklung und Erprobung eines Prototyps geplant. Damit gäbe es erstmals eine Lösung für den automatisierten und kostengünstigen Einsatz von wolfsabweisenden Mobilzäunen.

    „Schäfer*Innen dürfen beim Herdenschutz nicht allein gelassen werden. Die staatliche Förderung ist ungenügend, Forschung und Entwicklung finden nicht statt. Beides muss sich ändern. Da wollen wir helfen und ein Zeichen setzen. Nur mit flächendeckenden Herdenschutz ist ein konfliktarmes Zusammenleben mit dem Wolf möglich,“ erklärt Andreas Dinkelmeyer, Wolfscampaigner IFAW-Deutschland.

    Aus Sicht des Bundesverbandes Berufsschäfer ist das richtig. Sein Vorsitzender Günther Czerkus hält technische Innovation für unerlässlich, um die hohen Kosten des Herdenschutzes zu senken und Lösungen für schwierige Flächen zu finden. Langsam werde die Zeit für die Schäferei knapp. Daher sei man für jede Hilfe dankbar.

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